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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Doktoren der Rechte,
    die, meist auch später noch, aus bürgerlichem
    Stande genommen wurden. Die acht Mitglie-
    der waren: Hieronymus Graf von Schlick, Prä-
    sident; Johann von Löben, Kanzler; von Ben-
    kendorf, Vizekanzler; Christoph Friedrich von
    Wallenfels; Hieronymus von Dieskau; Fried-
    rich Pruckmann; Simon Ulrich Pistorius; Jo-
    hann Hübner.

    Freiherr von Canitz
    Und diesem Freiherrn von Canitz wenden wir uns
    nunmehr ausführlicher zu. Sein Bildnis fehlt zwar an
    dem breiten Mauerpfeiler, an dem es früher hing,
    und Großmutter und Enkel, das Lächeln des einen
    und der herbe Gesichtsausdruck der andern, begeg-
    nen sich nicht länger mehr an dieser Stelle; das To-
    talbild des »Poeten« aber, seinen Charakter wie sei-

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    ne Erscheinung, hat uns eine zeitgenössische Feder
    aufbewahrt, und mit Hülfe dieser Aufzeichnungen
    erneuern wir auf Momente das Bild und führen es an
    des Lesers Auge vorüber.
    »Canitz, der Poet war von mittlerer, wohlgewachse-
    ner Gestalt, in den späteren Jahren etwas untersetzt
    und stark; sein Gesicht voll, offen, wohlgebildet, sei-
    ne blauen Augen lebhaft, sein Ansehn männlich. Bei
    einer weißen Haut und freien Stirn hatte er einen
    freundlichen Mund, der sich nur manchmal eines
    spöttischen Lächelns nicht erwehren und seine ange-
    borene Neigung zur Satire nicht ganz verbergen
    konnte.«
    So schildert ihn sein Biograph, und dementsprechen-
    de Züge mocht auch das Bildnis zeigen, das einst
    hier hing. Aber an jenem Sonntage des Monats Ju-
    ni 1699, als er zum letzten Mal in diesen Chorstuhl
    uns unmittelbar zur Rechten eintrat, um andäch-
    tiglich der Rede des Geistlichen zu folgen, zuckte
    kein spöttisches Lächeln mehr um seinen Mund, und
    die »angeborene Neigung zur Satire« hatte längst
    einem Besseren Platz gemacht. Er wußte, daß ein
    anderes Leben seiner harre, und von Todesgewißheit
    erfüllt, hatte er in tiefer Rührung zu Spener die Wor-
    te gesprochen: »Wenn Gott mich wieder aufrichtet,
    so will ich dem eitlen Wesen dieser Weit mich ganz
    entziehn und mich dem widmen, was das allein Not-
    wendige ist.« Canitz wußte, daß er nur noch Wochen
    zu leben habe (die Ärzte hatten es ihm gesagt, weil
    er es zu wissen verlangt hatte), und die Textesworte,
    die eben jetzt gelesen wurden, trafen sein Herz. »Es

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    wird gesäet verweslich und wird auferstehen unver-
    weslich; es wird gesäet in Unehre und wird auferste-
    hen in Herrlichkeit.« Diese Worte, sagt ich, trafen
    sein Herz; aber die Bilder des Todes, die vor ihn hin-
    traten, erschreckten ihn nicht. Ruhig folgte er dem
    Gange der Predigt.
    Und nun ist die Predigt vorüber, und an der Sakris-
    teitüre dem Geistlichen freundlich und zustimmend
    die Hand drückend, schreitet er über die Gräber hin-
    weg und durch das holunderüberwachsene Kirch-
    hofstor dem Herrenhause zu. Der Junimorgen, so
    frisch und so warm zugleich, läßt ihn aufatmen wie in
    alter Lust und Fülle des Lebens, und statt in die Küh-
    le des Hauses einzutreten, tritt er in den lachenden
    Park. Wir schreiten ihm leise nach. An dem Birken-
    wäldchen vorbei, den erhöhten Kiesweg entlang, der
    bald die Windungen des Baches begleitet, bald sie
    kreuzt und überbrückt, hat er endlich die hoch gele-
    gene Lieblingsbank am Rande des Parks erreicht,
    die, von Buchenzweigen weit überschattet nach vorn
    hin einen Blick gönnt auf Felder und wogendes Korn.
    Er läßt sich nieder hier, und Figuren in den Sand
    zeichnend, ziehen die wechselnden Bilder seines Le-
    bens an ihm vorüber.
    Das sind die sonnigen Tage seiner Jugend. Die krai-
    nischen Alpen liegen hinter ihm, eine kurze Meer-
    fahrt ist überstanden, und um die Spitze des Lido
    herum biegt er ein in die Lagunenstadt. Welche Welt
    tut sich vor ihm auf; die Kuppeln und die Türme
    blinken im Sonnenlicht und als zöge man hinaus, um
    festlich einen Fürsten einzuholen, so schwimmt ihm

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    die Meereskönigin auf hundert Barken entgegen.
    Aber was wie Wunder und Märchen erscheint, ist nur
    ein glückliches Ohngefähr; die heiteren Reisegötter
    führen ihn in die Lagunenstadt just am Tage der
    Meervermählung, wo der Doge samt seinen Senato-
    ren im Bucentauro hinausgleitet, um den Ring, das
    Zeugnis und die Besieglung des Bundes, in das Meer
    zu senken.
    Die Bilder Venedigs schwinden, aber der Kahn des
    Traumes führt ihn weiter, jetzt zurück auf die hohe
    See, jetzt an dem Küstenbogen entlang, der zwi-
    schen Sorrent und Neapel sich spannt, und jetzt

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