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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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damit schloß unser Gespräch. Ich dankte für
    gütigen Bescheid und schritt auf das rote Haus zu,
    freudig gehoben in meinem Gemüt und wie Ibykus
    »des Gottes voll«. Nicht gerade von Liedern, aber
    doch von Hoffnungen und Bildern. Ich sah schon die
    verfallene Grufttreppe samt den drei Särgen vor mir
    und las dem alten Minister seine mit ins Grab ge-
    nommenen Geheimnisse von der Stirn herunter.
    Entdeckungen schossen auf wie die Knospen nach
    einem Frühlingsregen.
    Und so stand ich vor maison rouge.
    »Kann ich den Herrn Kantor sprechen?«
    Ich griff absichtlich nach dieser höheren Titulatur.
    Ein Hin- und Herlaufen entstand infolge meiner Fra-
    ge, zuletzt aber erschien ein kleiner Herr mit intelli-
    genten Augen und milzfarbenem Teint, um nach
    meinem Begehr zu fragen.

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    »Es handelt sich für mich«, hob ich, den Hut zie-
    hend, mit aller mir zuständigen Artigkeit an, »um
    den Staatsminister von Fuchs. In der Gruft Ihrer Kir-
    che...«
    »Ist zugeschüttet.«
    Ich war einen Augenblick dacontenanciert, mehr
    noch durch den Ton als durch den Inhalt dieser zwei
    Donnerworte. Wer aber weiß, daß das Menschenherz
    nicht gerne von Lieblingsvorstellungen läßt und nach
    dem Hinschwinden von Dingen und Ereignissen sich
    schließlich auch mit Betrachtung ihres bloßen Schauplatzes zufriedengibt, der wird es begreiflich finden, daß ich nicht ohne weiteres das Feld zu räumen Lust
    hatte. Konnt ich nicht die Gruft haben, so wollt ich
    wenigstens die Gruft stelle haben, und so rekolligiert ich mich und sagte: »Wie schade. Dann bitt ich Sie,
    mir wenigstens die Kirche zeigen zu wollen.«
    »Ich kann nur wiederholen«, klang es jetzt unter
    immer sichtbarer werdenden Zeichen von Ungeduld,
    »daß die Gruft zugeschüttet ist. In der Kirche selbst
    befindet sich nichts. Ein Besuch würde mithin ohne
    Resultat für Sie verlaufen. Auch hab ich Schule.«
    »Sie mißverstehen mich. Es liegt mir fern, Sie per-
    sönlich inkommodieren zu wollen. Aber ich komme
    bei Wind und Wetter von Berlin und bitte Sie des-
    halb, mir durch irgend jemand die Kirchentür auf-
    schließen zu lassen.«
    »Durch wen?«

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    »Vielleicht durch ein Kind oder eine Magd.«
    »Hab ich nicht.«
    Und nach dieser Schlußbemerkung zog er sich intel-
    ligenter und milzfarbener als vorher in seine Schul-
    stube zurück.
    Mein erstes war ein heißes Dankgefühl dafür, zu keiner Zeit, am wenigsten aber in der jetzigen, auf der
    Malchower Schulbank gesessen zu haben; mein
    zweites : Haß und Rache. Die ganze Reihe der
    Schulmeister durchgehend, deren Bekanntschaft ich
    in Leben oder Dichtung je gemacht hatte, konnt ich
    doch keinen finden, der mir – mit alleiniger Ausnah-
    me des maître d'école in den »Geheimnissen von
    Paris« – gleich verabscheuungswürdig erschienen
    wäre. Ja, meine Neigung, zu generalisieren und vom
    Einzelfall aufs Ganze zu gehen, ließ mich Augenblicks
    wieder die Frage stellen, ob ein solches, aus bloßem
    verschrobenen Dünkel hervorgegangenes Benehmen
    unter andern Völkern überhaupt möglich sei. »Nein«,
    sagt ich mir, »unter den Romanen gewiß nicht.« A-
    ber inmitten all meiner Verwünschungen mußt ich
    doch plötzlich der Auslassungen eines alle Wechsel-
    fälle des Lebens unter die statistisch-philosophische
    Loupe nehmenden Freundes gedenken, der mir ein-
    mal gesagt hatte: »Sehen Sie, Freund, auch in den
    Zufällen und Unglücksfällen waltet ein Gesetz. So
    verfolg ich beispielsweise die Theaterbrände. Alle
    funfzehn Jahre brennt ein großes Theater ab. Nicht
    öfter, aber auch nicht weniger oft.« Und nun entsann
    ich mich des wenigstens für mich kaum minder inte-

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    ressanten und kaum minder wichtigen Punktes, ge-
    rade funfzehn Jahre lang immer nur an freundliche
    Schulhäuser angeklopft zu haben. Was war es denn
    also groß? Der Ausnahmefall war in sein geheimnis-
    volles Recht getreten; das Gesetz vollzog sich. Die
    funfzehn Jahre waren um, und mein »Theaterbrand«
    war da. Das gab mir die gute Laune wieder, und ich
    beschloß, »in Sachen der Gruft« einfach an die höhe-
    re Instanz des Pfarrhauses zu appellieren.
    Wenige Schritte führten mich auf den Hof desselben.
    Ein kleiner braunhaariger, übrigens ebenfalls intelli-
    gent aussehender Spitz, der um meine Stiefelschäfte
    herumbiß, ließ mich anfänglich in erzitterndem Her-
    zen eine Wiederholung der Schulhausszene fürchten,
    aber kaum daß ich an dem kleinen, seiner dienstli-
    chen Pflicht etwas zu streng obliegenden

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