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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Wachtpos-
    ten vorüber war, als mich auch schon das selten täu-
    schende Gefühl durchdrang, in einen guten und si-
    chern Hafen eingelaufen zu sein. Der Pfarrflur, des
    nahen Festes halber, war in eine große Plättkammer
    umgewandelt worden, in der eben die Bügeleisen
    über breite Gardinenflächen geschäftig hin und her
    gingen und den Raum mit einem warmen Wrasen
    füllten. Alles wirtschaftlich und wohltuend, vor allem
    auch die Temperatur. Ich fragte nach dem Pfarrer
    und schickte meine Karte hinein. Sehr bald kam
    Antwort, daß er beim Konfirmandenunterricht sei,
    mich aber bitten lasse, derweilen in sein Zimmer
    einzutreten. Und hier war ich denn nun und wartete.
    Unter Umständen nichts angenehmer als solche War-
    teviertelstunden, in denen man die Geschichte des

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    Hauses oder den Charakter seiner Bewohner von den
    Wänden liest. Denn nichts spricht deutlicher als
    Zimmereinrichtungen, und selbst die nichtssagenden
    und modisch-indifferenten machen keine Ausnahme.
    Sie weisen dann eben auf nichtssagende und mo-
    disch-indifferente Leute hin. In der Studierstube zu
    Malchow aber war nichts indifferent, und die Grec-
    borte der Gardinen, der gotisch geschnitzte Schlüs-
    selkasten mit Bild und Spruch, dazu der über dem
    Sofa thronende Thorwaldsensche Christus inmitten
    der abgestuften Schar seiner Jünger, alles stimmte
    zu den hohen Bücherregalen, auf denen die theologi-
    schen und die Fritz Reuterschen Schriften in aller
    Friedlichkeit beisammenstanden. Und dazu die
    »Kreuz-Zeitung« auf dem Tisch, und ein Luftton, in
    welchem die Morgenzigarre nachdämmerte. Das
    märkische Pfarrhaus in seiner anspruchslosen und
    doch zugleich von Kunst und Schönheit leise berühr-
    ten Behaglichkeit hatte nie lebendiger zu mir gespro-
    chen.
    Und so sollt ich's bestätigt finden. Eine halbe Stunde
    später, und der freundliche Pfarrer und seine noch
    freundlichere Frau saßen mit mir um den Kaffeetisch,
    und wieder noch ein Weilchen, und jener bekannte
    Begegnungspunkt war gefunden, wo plötzlich von
    sieben Seiten her alle Wege zusammenlaufen und
    man nur noch verwundert ist, sich nicht vorher schon
    getroffen und die Hände geschüttelt zu haben. Und
    dazu die tiefere Lebensbetrachtung: »Wie klein ist
    doch die Welt.«

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    Ich glaube fast, ich war es selbst, der sich bis zu
    diesem Satze verstieg, und wer weiß, welche weite-
    ren Stufen der Erkenntnis und Weisheit ich noch er-
    klommen hätte, wenn nicht der Pfarrer eben jetzt auf
    die hinter den kahlen Kirschbäumen niedergehende
    Sonne gedeutet und mich dadurch an den Kirchgang
    und die von Fuchssche Familiengruft erinnert hätte.
    So verabschiedeten wir uns denn bei der Frau Pfarrin
    und schlugen einen Richtweg ein, der uns erst über
    Gartenbeete, dann über verschneite Gräber fort bis
    an einen Seiteneingang der Kirche führte. Und nun
    öffnete sich die Tür, und der Zugwind trieb über uns-
    re Köpfe weg einen breiten Schneestreifen in die Kir-
    che hinein. Ein fahles Rot stand noch in den Schei-
    ben, gerade hell genug, um uns alles rundum erken-
    nen zu lassen. Die Wände zeigten sich frisch ge-
    tüncht, Orgel und Altar blank und die Pfeiler mit vie-
    len Bibelsprüchen bedeckt, aber das erste Gefühl,
    das ich angesichts dieser Herrlichkeit hatte, war doch
    das einer gewissen Beschämung und einer halben
    Aussöhnung mit dem maître d'école drüben. »Ihr
    Besuch würde resultatlos verlaufen«, waren seine
    gebildeten Worte gewesen, und er schien recht be-
    halten zu sollen.
    Es mochte sich etwas von Enttäuschung in meinem
    Gesichte spiegeln, weshalb der Prediger, als wir den
    Mittelgang halb hinauf waren, in freundlichstem Tone
    zu mir sagte: »Hier war die Gruft.«
    Ich meinerseits hielt es für angezeigt, dieser Freund-
    lichkeit durch eine gleiche zu begegnen, und erwi-
    derte: »Ja, hier muß es gewesen sein. Man kann

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    noch deutlich die neuen Fliesen von den alten unter-
    scheiden.« Eigentlich aber war es nicht der Fall.
    »Und«, fuhr der Prediger fort, »hier war auch das
    Fuchssche Wappen.« Und dabei wies er mit dem Zei-
    gefinger auf einen Punkt in der Luft, etwa vier Fuß
    hoch über der Brüstung eines niedrigen Chorstuhls.
    Es hatte durchaus etwas Gespenstisch-Visionäres,
    wie wenn Macbeth den Dolch sieht, und das be-
    stimmt ausgesprochene »hier« ließ mich auf eine
    Sekunde ganz ernsthaft nach der Erscheinung su-
    chen. Aber es blieb alles unsichtbar, und ich fröstelte nur noch die Frage heraus: »Dies ist also

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