Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Albrecht von
Brandenburg, hinzu, so wird es uns unschwer gelin-
gen, ein Bild des Malchower Lebens aus seinen histo-
rischen sieben Jahren aufzubauen. Es waren eben
Umgangs- und Gesellschaftsformen, auf die genau
die Schilderung paßt, die F. von Salpius in seiner
eingangs erwähnten Paul von Fuchsschen Monogra-
phie von dem Leben der damaligen regierenden
Klassen entworfen hat.
»Man kann«, so schreibt er, »von den brandenburgi-
schen Landen jener Epoche behaupten, daß die Re-
gierenden zu den Besitzenden gehörten und daß die
Besitzenden wiederum in der Regierung saßen. Die
Mitglieder des Geheimen Rates scheinen durchgängig
im Wohlstande gewesen zu sein. Der Wege zu sol-
chem gab es, abgesehen von Geburt und Heirat, ver-
schiedene: Ausstattung mit heimgefallenen Lehngü-
tern seitens des Kurfürsten, sogenannte Dotationen;
in andern Fällen bedeutender Kriegsgewinn (wie
denn beispielsweise dem General von Schöning eine
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auf 40 000 Taler Lösegeld zu veranschlagende Anzahl gefangener Juden zufiel) und endlich Vereini-
gung mehrerer Ämter in einer Person. So bezog
Fuchs, als Oberpostdirektor, eine jährliche Zulage zu
seinem anderweitigen Gehalt und außerdem den
zwanzigsten Teil aller in Berlin aufkommenden Post-
gelder. Aus ebendiesen Erträgen war es, daß er in
den Besitz von Malchow gelangte.«
So F. von Salpius. Und noch eingehender dann an
anderer Stelle: »Der höhere Staatsdienst, und zwar
aus den vorangeführten Gründen, war ein mehr loh-
nender Beruf als jetzt , und die Geheimräte vergaßen über den staatlichen Interessen nicht die ihrigen.
Dazu gewährte der Fürsten- und Staatsdienst ein
größeres Ansehen als heutzutage, wo der Ehrgeiz
auch anderweitig sein Feld der Betätigung findet.
Aber mit der Wahrnehmung des eigenen Vorteils
ging doch immer zugleich auch die strengste Pflicht-
erfüllung Hand in Hand. Sie lebten, wie der Große
Kurfürst selbst, der Überzeugung, daß sie vor allem
zur Erhaltung der Machtstellung des Staates das Ih-
rige beizutragen hätten. Neben diesem Zuge springt
vor allem ihre Vielseitigkeit und Findigkeit ins Auge.
Dieselbe beruhte zum Teil auf der verhältnismäßigen
Einfachheit der damaligen Zustände, nicht minder
aber auf ihrer persönlichen Vorbildung, Spannkraft
und Beweglichkeit. Die Mitglieder des Geheimen Rats
hatten schon als Jünglinge auf Reisen mannigfache
Kenntnisse gesammelt; im Staatsdienste tummelten
sie sich bald hier, bald dort, arbeiteten sich bald in
dieses, bald in jenes Fach ein. Das bewahrte sie vor
jeder geistigen Verkümmerung, sie blieben stets
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frisch und erfreuten sich fast immer eines guten Humors . Hierfür sprechen ihre lebensvollen, mit anschaulichen Bildern durchwobenen amtlichen Berich-
te und Reden, welche den Charakter der Ursprüng-
lichkeit, oft den der Naivität tragen. Ihren Gemein-
sinn bewiesen sie nicht nur durch treue Arbeit, son-
dern auch als fröhliche Geber . In ihrer Heimat, in der Gemeinde ihres Wohnorts oder Gutes, verwandten
sie beträchtliche Summen für gemeinnützige Zwe-
cke. Der Feldmarschall von Sparr baute Kirchen und
Türme, schenkte Glasmalereien und Glocken, Derff-
linger ließ eine stattliche Dorfkirche aufführen, der
ältere Schwerin tat ein Gleiches. Joachim Ernst von
Grumbkow gründete ein Kloster für zwölf Jungfrau-
en, der jüngere Jena bestimmte 60 000 Taler für ein
Fräuleinstift und ein Hospital. Ähnlich verfuhr auch
unser Paul von Fuchs. Er ließ in Malchow ein Predi-
gerwitwen- sowie ein Armen- und Waisenhaus her-
stellen.«
Ob diese Stiftungen noch existieren, hab ich an Ort
und Stelle nicht in Erfahrung gebracht.
Der Abend war mittlerweile hereingebrochen, und
mein freundlicher Wirt begleitete mich eine gute
Strecke, bis die Lichter von Weißensee hell auf mei-
nen Weg fielen. Dann schieden wir, hoffentlich nicht
für immer, und abermals anderthalb Stunden später
lagen die Schneefelder und die grünen Staketenzäu-
ne, la maison rouge und der maître d'école, das
warme Pfarrhaus und die kalte Kirche, die Grecbor-
ten und das gespenstische Wappen derer von Fuchs
– alles traumhaft hinter mir.
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Ein entzückender Tag. Die Gruft hatte nichts heraus-
gegeben, aber das Leben hatte bunt und vielgestaltig
zu mir gesprochen.
Und das bedeutet das Beste.
Kienbaum
Ich hatt als Kind eine Tanne lieb,
Die groß und einsam übrigblieb
An flachem Wiesensaume.
Laufkäfer hasten durchs
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