Wanderungen durch die Mark Brandenburg
sich
untereinander? Alle diese Fragen drängen sich auf,
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ohne daß eine Lösung bisher gefunden wäre. Die
Tradition scheint geneigt, einen alten Wendenort
anzunehmen, der inmitten des »Burgwalls« seine
Burg und auf dem »Pennigsberg« seine Begräbnisstätte hatte. Bevor Besseres geboten ist, ist es vielleicht am besten, dabei zu verharren. Ausgrabungen
auf dem westlichen Stadtfelde würden gewiß zu
wirklichen Aufschlüssen führen, aber diese Ausgra-
bungen werden in unbegreiflicher Weise vernachläs-
sigt. Die Kommunen entbehren in der Regel des nö-
tigen Interesses und unsere Vereine der nötigen Mit-
tel.
Indessen, lassen wir das vorgeschichtliche Mitten-
walde und wenden wir uns lieber dem mittelalterli-
chen zu, das, aller Verheerungen ungeachtet, in ein-
zelnen Baulichkeiten immer noch existiert. Da haben
wir die Mauer mit ihren Tortürmen, da haben wir die
Propsteikirche, und da haben wir vor allem auch den
»Hausgrabenberg«, von dessen Höhe herab, nach
allgemeiner Annahme, »Schloß Mittenwald« in die
Mark und die Lausitz hineinblickte. Die Lage dieses
»Hausgrabenberges« im Norden des zu verteidigen-
den Notte-Flüßchens, dazu das Fortifikatorische der
an andere Hügelbefestigungen jener Zeit erinnern-
den Anlage würden es wie zur Gewißheit erheben,
daß das Schloß an diesem Punkt, und nur an diesem, gestanden haben müsse, wenn nicht der eine Umstand, daß, soviel ich weiß, keine Spur von Steinfun-
damenten innerhalb des Berges gefunden worden ist,
das Urteil wieder schwankend machte.
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Gleichviel indes, was auf seiner Höhe gestanden ha-
ben mag, jetzt steht ein Häuschen auf demselben, das sich in Weinlaub versteckt und über dessen Dach
hin, als ob es doppelt geschützt werden sollte, sich die Wipfel alter Birnbäume wölben. Im Spätsommer,
wenn die blauen Trauben an allen Wänden hängen
und die goldgelben Birnen, entweder vom Wind oder
der eigenen Schwere gelöst, polternd über das Dach
hin rollen, muß es schön sein an dieser Stelle.
Der » Hausgrabenberg « hat ein reizendes Haus. Aber ein baulich größeres Interesse bietet doch der alte
Torturm der Stadt, dem wir uns jetzt zuwenden. Er liegt nach Norden hin, auf dem Wege nach Köpnick
und Berlin, und führt deshalb den Namen: das Köp-
nicker oder Berliner Tor. In alter Zeit, als Mittenwal-
de noch »fest« war, war dieser Torbau von ziemlich
zusammengesetzter Natur und bestand aus einem
quer durch den Stadtgraben führenden Steindamm,
dessen Mauerlehnen hüben und drüben in einen Au-
ßen- und Innenturm ausliefen. Von jenem, dem Au-
ßen tor, steht noch die Front, ein malerisch gotisches Überbleibsel, das in seiner Stattlichkeit und reichen
Gliederung mehr noch an die berühmten Torbauten
altmärkischer Städte (beispielsweise Salzwedels und Tangermündes) als an verwandte Bauten der Mittelmark erinnert. Es scheint, daß es ein geräumiges
und beinah würfelförmiges Viereck war, das an je-
dem Eck einen Rundturm und zwischen diesen vier Rundtürmen – und zugleich über sie hinauswachsend
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– ebenso viele, mit den zierlichsten Rosetten ge-
schmückte Giebel trug.
Aus dem dreizehnten Jahrhundert stammt die Mit-
tenwalder Propstei- oder Sankt-Moritz-Kirche . Die Kreuzgewölbe sind später. Man sieht deutlich, wie
die mächtigen alten Pfeiler in bestimmter Höhe weg-
gebrochen und die alten Tonnengewölbe durch neue,
von eleganterer Konstruktion, ersetzt wurden. Um
vieles moderner ist der Turm, dem übrigens mit
Rücksicht auf das Jahr seiner Entstehung (1781)
alles mögliche Lob gespendet werden muß. Er paßt
nicht zur Kirche, nimmt sich aber nichtsdestoweniger
gut genug aus. Ähnlich wie die schweren alten Stein-
pfeiler, die jetzt die Kreuzgewölbe tragen, unverän-
dert dieselben geblieben sind, hat auch der Baumeis-
ter von 1781 die früheren Turmwände bis zu be-
stimmter Höhe hin als Unterbau fortbestehen lassen.
Dadurch ist etwas ziemlich Stilloses, aber nichtsdes-
toweniger etwas Anziehendes und Malerisches ent-
standen. Die sich verjüngenden Etagen erheben sich
auf dem mächtigen alten Feldsteinfundamente nach
Art einer Statue auf ihrem Piedestal, und die Hagero-
sen und Holunderbüsche, die zu Füßen dieses aufge-
setzten Turmes auf der Plattform des Unterbaues
blühn, erfreuen und fesseln den Blick.
Und nun treten wir in das Innere der Kirche, die
reich ist an Bildern und Grabsteinen und noch reicher
an Erinnerungen.
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