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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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abgebrochen, und selbst der Garten, in des-
    sen Gängen er mutmaßlich das »Befiehl du deine
    Wege« dichtete, liegt, wüst geworden, ohne Zaun
    und Einfassung zwischen zwei Nachbargärten.
    Die Stadt bietet nichts mehr, wohl aber die Kirche .
    Dicht unter seinem Bildnis, dessen ich bereits aus-
    führlicher erwähnte, sehen wir eine Steintafel in die
    Wand des Seitenschiffes eingelassen, die folgende
    Inschrift trägt: »Maria Elisabeth – Pauli Gerhardts,
    damaligen Propstes allhier zu Mittenwalde, und Anna
    Maria Bertholds erstgebornes, herzliebes Töchterlein,
    so zur Welt kommen den 19. Mai Anno 1656 und
    wieder abgeschieden den 14. Januar Anno 1657 –
    hat allhier ihr Ruhebettlein und dieses Täflein von
    ihren lieben Eltern. Genesis 47, Vers 9: ›Wenig und
    böse ist die Zeit meines Lebens.‹« Ein grüner Kranz

    2657
    faßt die Inschrift ein, und Engelsköpfe schmücken
    die vier Ecken.
    Neben Bildnis und Stein ist die Sakristeitür. In der
    Sakristei selbst finden wir das alte Mittenwalder Kir-
    chenbuch, ein großes, nach Art der Bilderbibeln in
    Leder gebundenes Buch, etwa 300 Jahr alt. Die Re-
    gistrierungen in diesem Buch aus der Zeit von 1651
    bis Neujahr 1657 rühren alle von Paul Gerhardt sel-
    ber her. Seine Handschrift ist fest, dabei voll
    Schwung und Schönheit. Seine Aufzeichnungen
    schließen mit dem 28. Dezember 1656.
    Bild und Stein und Buch, sie mahnen an sein Wan-
    deln und Wirken an dieser Stätte; fehlten aber auch
    diese Dinge, die seinen Namen oder die Züge seiner
    Hand tragen, die Kirche selber – im großen und gan-
    zen dieselbe geblieben –, sie würde dastehn zu sei-
    nem ehrenden Gedächtnis, der protestantischen Welt
    mehr eine Paul-Gerhardts- als eine Sankt-Moritz-
    Kirche. Wenig Modernes hat sich seit 200 Jahren
    hinzugesellt, und wohin das Auge sich wenden mag,
    sein Auge hat darauf geruht.
    Veränderungen sollen vorgenommen werden; mögen
    sie mit Pietät geschehen.
    Paul Gerhardt ist unbestritten der Glanzpunkt in der
    Geschichte Mittenwaldes, aber es hat der histori-
    schen Erinnerungen auch noch andre.
    Den 31. August 1730 traf Kronprinz Friedrich unter
    starker Bedeckung, von Wesel aus, über Treuen-

    2658
    brietzen (wo er die Nacht vorher gewesen war) in
    Mittenwalde ein, um daselbst, vor seiner Abführung
    nach Küstrin, ein erstes Verhör zu bestehen. Das
    Truppenkommando, das ihn bis Mittenwalde geführt
    hatte, stand unter Befehl des Generalmajors von
    Buddenbrock, desselben tapferen Offiziers, der zwei
    Monate später dem mit der Todesstrafe drohenden
    König mit den Worten entgegentrat: »Wenn
    Ew. Majestät Blut verlangen, so nehmen Sie meines;
    jenes bekommen Sie nicht, solang ich noch sprechen
    darf.«2)
    Kronprinz Friedrich blieb zwei Tage in Mittenwalde,
    vom 31. August bis 2. September. Das Verhör fand
    mutmaßlich am 1. statt. Er bestand es vor General-
    lieutenant von Grumbkow, Generalmajor von Glase-
    napp, Oberst von Sydow und den Geheimen Räten
    Mylius und Gerbett und behauptete während dessel-
    ben eine »kecke und beleidigende Zurückhaltung«.
    Als Grumbkow ihm seine Verwunderung darüber be-
    zeugte, antwortete er: »Ich bin auf alles gefaßt, was
    kommen kann, und hoffe, mein Mut wird größer sein
    als mein Unglück.«
    Garnison stand damals noch nicht in Mittenwalde;
    die Stadt war überhaupt noch klein und zählte
    (1730) nur 952 Einwohner. In welchem Hause der
    Prinz bewacht wurde, hab ich nicht mehr ermitteln
    können; das »Schloß« existierte längst nicht mehr.

Das Verhör fand mutmaßlich auf dem Rathause statt.

    2659
    Das war im September 1730.
    Fast siebenzig Jahre später, am Silvester-
    abend 1799, tritt noch einmal eine historische Figur
    auf die bescheidene Mittenwalder Bühne, um ihr
    sechs Jahre lang in Leid und Freud anzugehören.
    Sechs Jahre lang, wie Paul Gerhardt. Ein Kämpfer
    wie dieser, nicht mit mächtigeren, aber mit derberen
    Waffen. Es genügt, seinen Namen zu nennen: Major
    von Yorck, der spätere »alte Yorck«.
    Unterm 6. November hatte der König an den damals
    in Johannisburg stehenden Major von Yorck ge-
    schrieben: »Mein lieber Major von Yorck. Da die jetzt
    verfügte Versetzung des Major von Uttenhoven vom
    Regiment Fußjäger als Commandeur zum dritten
    Bataillon des Regiments von Zenge es notwendig
    macht, dem Jägerregiment (in Mittenwalde) einen
    ganz capablen Commandeur zu geben, und Ich Mich
    überzeuge, daß Ihr die zu diesem wichtigen Posten
    erforderlichen Eigenschaften in Euch

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