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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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unterhielt: seine Gutsnachbarn und die Regie-
    rungsbeamten. Unter den ersteren hatte er sich be-
    sonders den Herrn von Hake auf Genshagen zum
    Gegenstand nicht enden wollender Anzüglichkeiten
    und Verhöhnungen ausersehen.
    Die Korrespondenz, die er mit diesem seinem Nach-
    bar in einem Zeitraum von fünfundzwanzig Jahren
    geführt hat, soll ein wahrer Anekdotenschatz und für
    die Freunde des Hakeschen Hauses seinerzeit eine
    unerschöpfliche Quelle der Erheiterung gewesen
    sein. Leider ist diese Korrespondenz verbrannt. Zwei
    Geschichten indes aus der langen Reihe dieser guts-
    nachbarlichen Rancunen und Streitigkeiten existieren
    noch. Geist, im übrigen kein Freund der Jagd, ließ
    sich eine Jagd- und Schießhütte bauen, wenig Schrit-
    te von dem Punkt entfernt, wo seine eigene Feld-
    mark mit der Genshagener Forst zusammenstieß.
    Die Front der Hütte ging auf feindliches Gebiet hin-
    aus, und die Absicht lag klar zutage. Hier saß er hal-
    be Nächte lang und schoß von seinem Territorium
    aus dem Herrn von Hake die Rehe tot – ein Wilddieb
    aus purer Malice. Als Hake Beschwerde führte und
    auf Abbrechen der Hütte antrug, antwortete Geist:
    die Hütte habe keinen offensiven Charakter; er
    (Geist) habe von Jugend auf immer rückwärts ge-
    schossen und müsse es ablehnen, in seinen alten
    Tagen nach einem neuen Prinzip auf Jagd zu gehen.
    Bei anderer Gelegenheit beschwerte sich Herr von
    Hake, daß er bei Passierung einer Brücke, für deren
    Instandhaltung Geist Sorge tragen mußte, mit sei-
    nem Justitiarius Buchholz eingebrochen sei. Geist

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    replizierte: »über die Brücke würden täglich sechs-
    undzwanzig seiner schwersten Ochsen getrieben,
    und niemals hab er gehört, daß einer derselben ir-
    gendwie Schaden genommen; es sei mindestens
    eine auffallende Erscheinung, daß gerade Herr von
    Hake mit seinem Justitiarius durchgebrochen sei«.
    Herr von Hake hatte nicht Lust, den Streit ruhen zu
    lassen, und ging an die Gerichte. Als Geist eine Vor-
    ladung empfing, ließ er den Brückensteg ohne weite-
    res abtragen und auf einen Holzwagen setzen und
    erschien nun damit vorm Kammergericht in Berlin,
    die Räte desselben allergehorsamst ersuchend, sich
    durch Okularinspektion von der Richtigkeit seiner
    Aussagen und der Haltbarkeit des Brückenstegs ü-
    berzeugen zu wollen.
    Einen viel lebhafteren Groll unterhielt er gegen alles, was sich »Regierung« oder »Behörde« nannte und
    mit der Miene der Autorität gegen ihn auftreten woll-
    te. Die alte Registratur des Kammergerichts, das er
    in seinen Eingaben gelegentlich »hochpreisliches
    Jammergericht« anzureden liebte, soll davon zu er-
    zählen wissen. Seine Fehden mit dem Pupillenkolle-
    gium , dessen Namen er nicht müde ward in der
    wunderlichsten Weise zu kürzen oder zu verunstal-
    ten, sind teils allgemeiner bekannt geworden, teils
    liegen sie jenseit aller Mitteitungsmöglichkeit – wie-
    wohl man dem humoristischen Übermut gegenüber,
    der sich in allen seinen Schnurren ausspricht, eigent-
    lich jedes Anstandsbedenken aufgeben und der der-
    ben Laune sich freuen sollte.

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    Neben dem Pupillenkollegium hatte niemand mehr
    als die Potsdamer Regierung unter seinen Sarkas-
    men zu leiden. Jede Schwäche, jedes Versehen fand
    einen unerbittlichen Kritiker in ihm. Bei Abschätzung
    des Gutes waren Wert und Ertragsfähigkeit dessel-
    ben zu hoch oder zu niedrig taxiert worden, und die
    Regierung, den Streit endlich zu schlichten, schickte
    eine Untersuchungs- und Begutachtungskommission.
    Die Zeit, Mitte Dezember, war allerdings nicht allzu
    günstig gewählt, und Geist faßte nunmehr in seinem
    nächsten Schreiben an die Regierung alles, was er zu
    sagen hatte, in folgendem Reim zusammen:
    Gerechter Gott des Himmels und der Erden,
    Was soll aus deiner heiligen Justitia werden?
    Die Erde ist bedeckt mit Eis und Schnee,
    Da untersuchen sie die Bonité!
    O weh, o weh, o weh!
    Unter den Personen, gegen die seine Spöttereien
    sich richteten, war unter andern auch der Reformator
    unserer Landwirtschaft, der berühmte Thaer. Die
    Prinzipien, die dieser einzuführen trachtete, hatten
    nicht die Zustimmung unseres Geist von Beeren,
    vielmehr machte letztrer seinem Unmut in einer klei-
    nen Brochure Luft, die den Titel führte: »Die preußi-
    sche Landwirtschaft ohne Theer «. Alles lachte. Der kleine Tückebold hatte sich aber diesmal verrechnet,
    und es erschien eine Gegenschrift unter dem Titel:
    »Die preußische Landwirtschaft ohne

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