Wanderungen durch die Mark Brandenburg
die den Kirchhofshügel ver-
teidigenden Sachsen eindrang und das hier stehende
Regiment von Low zersprengte.2) Neue Bataillone, die
Reynier aus der hinter dem Dorfe haltenden Division
Le Coq in die Front zog, stellten das Gefecht zwar
wieder her, und ein Vorbrechen sächsischer Ulanen
parierte sogar siegreich einen diesseitigen Reiteran-
griff. Aber dies war auch der letzte glückliche Mo-
ment auf gegnerischer Seite. Denn in demselben
Augenblicke fast, wo sich die sächsische Kavallerie
dieses Erfolges rühmen durfte, wurde die gesamte
feindliche Position von zwei Seiten her umfaßt, in-
dem die gerade jetzt den Lilo-Bach passierende Vor-
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hut der Borstellschen Brigade Großbeeren von Osten
her, die Brigade Prinz von Hessen-Homburg aber die
mehr nach Westen hin gelegene Hügelposition zwi-
schen der Windmühle und dem Vorwerk Neubeeren
erstürmte. Durch diese Bewegung von links und
rechts her war die ganze in Front stehende Division
Sahr abgeschnitten und hatte nur noch für ihren
Rückzug zu kämpfen. Diesen bewerkstelligte sie ge-
schickt und ging in guter Haltung, wenn auch unter
erheblichen Verlusten, auf die genshagensche Heide
zurück.
Hiermit war die Wiedereroberung Großbeerens aus-
geführt. Allerdings, da von den neun Divisionen der
Oudinotschen Armee nur drei wirklich engagiert ge-
wesen waren, lag es in der Möglichkeit, unsern Erfolg
wieder bestritten zu sehen, und in der Tat wurde der
Versuch dazu gemacht, als bei Dunkelwerden die
Spitze des noch vollkommen intakten 12. Corps in
verhältnismäßiger Nähe des Schlachtfeldes erschien.
Aber auch dieser Versuch, an dem sich namentlich
Kavallerie beteiligte, schlug fehl, und um neun Uhr
schwieg das Gefecht.3) Unbehelligt gingen alle drei
Divisionen vom Corps Reynier auf Löwenbruch und
Wietstock, die Corps Bertrand und Oudinot aber auf
Saalow und Trebbin zurück.
Der erste Versuch Napoleons, sich Berlins zu be-
mächtigen – der zweite führte zur Schlacht bei Den-
newitz –, war gescheitert und hatte dem Corps Rey-
nier, insonderheit den beiden sächsischen Divisionen,
einen starken Verlust bereitet. Allein diese letztge-
nannten verloren 28 Offiziere und 2096 Mann an
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Toten, Verwundeten und Gefangenen. 14 Kanonen
und 52 Munitionswagen waren außerdem eingebüßt
worden. Unser Verlust bezifferte sich auf nicht mehr
als 1100 Mann, alle vom Bülowschen Corps. Auf Sei-
te der Schweden war nur ein Offizier verwundet worden.
Berlin jubelte und betätigte seinen Jubel. Elf Wagen-
reihen, mit Brot und Tabak, mit Bier und Branntwein
beladen, setzten sich nach dem Bivouac von Hei-
nersdorf hin in Bewegung. Auch von Eberswalde,
Charlottenburg und Oranienburg erschienen Trans-
porte.
Der Kronprinz von Schweden erließ anderen Tages
aus dem Lager von Ruhlsdorf ein Bulletin, in wel-
chem er mit nicht allzugroßer historischer Treue die
Begebenheiten der letzten Tage bekanntmachte.
Hinsichtlich des Generals von Bülow und seines
Corps hieß es wörtlich: »General von Bülow erhielt
Befehl, den Feind anzugreifen . Er führte diesen Befehl mit derjenigen Entschlossenheit aus, die den
geschickten General bekundet. Seine Truppen mar-
schierten mit ebenjener Ruhe, die während des Sie-
benjährigen Krieges die Soldaten des großen Fried-
rich auszeichnete.« General von Bülow selbst enthielt
sich begreiflicherweise jedes Hinweises auf die »Sol-
daten des großen Friedrich«, unterließ aber nicht,
das Tatsächliche richtigzustellen. »Ich faßte«, so
heißt es in seinem Bericht an den König, »den
Entschluß, den Feind anzugreifen, und wurde dazu
durch einen nachträglichen Befehl des Kronprinzen autorisiert. Unter Einschluß der mir zugeteilten russi-2690
schen Batterien sowie der Kosaken haben die Trup-
pen Ew. Majestät allein gefochten.«
Im übrigen war es keine große Schlacht gewesen.
Einem energischen, aber wie gewöhnlich erfolglosen
Artilleriekampfe war eine Dorferstürmung gefolgt,
welcher es, aller Tapferkeit unerachtet, doch insoweit
an allem Heldischen gebrach, als wir den Schlüssel
der Position: die Kirchhofs stellung, in erheblicher Überzahl angriffen. Es bleiben aber solche vor den
Toren einer Hauptstadt geschlagenen Schlachten
immer ganz besonders im Gedächtnisse der Mensch-
heit, einfach deshalb, weil die Zahl der durch solche
Kämpfe zu direkter Dankbarkeit Verpflichteten um vieles größer ist als bei Provinzial- oder gar Aus-landsschlachten. Und so
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