Wanderungen durch die Mark Brandenburg
wie sein Ge-
halt, seine Beschäftigung und vor allem seine Klei-
dung gewesen sei. Kniehosen, Puderperücke, Silber-
borten und Schuhschnallen, alles wurde genau be-
schafft, wie's in alten Zeiten gewesen war, und wenn
Besuch kam, präsentierte man den Diener des tollen
Geist, als ob es dieser selbst gewesen wäre. Herr
von Beier war verheiratet; seine Ehe zeigte sich je-
doch nicht glücklich und wurde getrennt. Bald nach
der Trennung verließ er Großbeeren, bestellte vor-
läufig einen Verwalter und ging nach Österreich. Hier
trat er als Lieutenant bei Wallmoden-Kürassieren ein.
Das Regiment garnisonierte damals in Ungarn, und
Beier verliebte sich sofort in eine vornehme ungari-
sche Dame. Da der Vater derselben die Partie nicht
wünschte, so sah sich der Liebhaber veranlaßt, die
liebeskrank werdende Dame in der Rolle eines be-
rühmten Arztes zu besuchen. Und ihr Leiden wurd auch wirklich gehoben, aber doch so , daß des Vaters
»Ja« schließlich nicht wohl ausbleiben konnte. Nun
2703
nahm von Beier seinen Abschied und führte die jun-
ge Frau im Triumph nach Großbeeren. Wenn bis da-
hin alles im Stil des »tollen Geist« gewesen war, so
wurde nun alles ungarisch eingerichtet und nicht nur
Pferde, Tabak und Wein, auch Diener, Koch und
Kammermädchen kamen aus Ungarn. Die Dorfleute
sagten, ihr Herr sei ein Türke geworden. Alles ging ungrisch und die Wirtschaft polnisch dazu.
1837 verkaufte er das Gut und ging in die Welt.
Seitdem ist er verschollen.
In der Erinnerung der Dörfler hat er nur schwache
Spuren zurückgelassen, aber das Bild des alten
»Neck- und Feuerteufels«, der vor ihm da war, lebt
fort von Geschlecht zu Geschlecht. Auch das Volk hat
künstlerische Instinkte und unterscheidet Kopie und
Original. Und wenn jung und alt abends beim Biere
sitzen und von alten Zeiten plaudern, verweilen sie
gern bei dem kleinen Kobold, »der keine Furcht
kannte«, und erzählen sich mit immer gleichem Be-
hagen die Schnurren und Schabernackstreiche vom
tollen »Geist von Beeren«.
1. Nach einer andern Lesart war ihr Verlobter
ein französischer Offizier, der, in der Schlacht bei Großbeeren verwundet ins Herrenhaus
geschafft und von Frau von Beeren gepflegt
wurde. Diese Pflege schloß dann, wie ge-
wöhnlich, mit einer Verlobung. Diese Version
läßt sich übrigens mit der im Text erzählten in
Einklang bringen. Capitain Willmer, wie sein
2704
Name ergibt, war ein Deutscher; da aber bei
Großbeeren zwei sächsische Divisionen auf
französischer Seite fochten, so ist es wohl
möglich, daß er als verwundeter sächsischer
Offizier die Bekanntschaft der Frau von Bee-
ren machte.
Berlin in den Tagen der Schlacht
von Großbeeren
Es war am 19. August 1813 – so entnehm ich alten,
durch Friedrich Tietz1) veröffentlichten Aufzeichnun-
gen –, als an den Straßenecken Berlins und zugleich
in der »Vossischen« und »Spenerschen Zeitung«
folgende Bekanntmachung erschien:
»Wir eilen, die treuen Untertanen Seiner Majestät
des Königs hierdurch zu unterrichten, daß in der
Nacht vom 10. zum 11. d. M. die Kriegserklärung
Österreichs gegen Frankreich erfolgt und der Waf-
fenstillstand ebenso kaiserlich-russischer- wie uns-
rerseits gekündigt worden ist. Die Zeit der Waffenru-
he ist mithin überstanden, und der gerechteste
Krieg, der jemals geführt worden, hat wieder begon-
nen.
Berlin, 18. August 1813
2705
Allerhöchst verordnetes Militär-Gouvernement für
das Land zwischen der Elbe und Oder
von L'Estocq – Sack«
Scharenweise standen die Berliner an den Ecken, um
diese Bekanntmachung zu lesen. Enthusiastisch und
mit Hurra wurde sie begrüßt, aber es muß doch auch
zugestanden werden, daß es nicht an Vorsichtigen,
um nicht zu sagen an Ängstlichen, fehlte. So wurden
beispielsweise viele Frauen und Kinder, die man nach
Pommern und Mecklenburg hin in Sicherheit bringen
wollte, von den zurückbleibenden Hausvätern zum
Frankfurter und Oranienburger Tor hinausbegleitet.
Andre waren geschäftig, ihre silbernen Löffel im Gar-
ten einzugraben oder ein paar alte, noch von irgend-
einem Paten herstammende Schaumünzen unter der
Zimmerdiele zu verstecken.
Unterdessen hatten wir seltsame Hilfe gegen den
Feind erhalten. Wallensteins eben damals oft von
Mattausch auf der Königlichen Bühne gehörte Worte:
»Wir werden mit den Schweden uns verbinden, gar wackre Leute sind's und gute Freunde«, hatten sich
als Prophezeiung
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