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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Geist «. Solchem Repartie war er nicht gewachsen, und er gab
    die Fortsetzung des Kampfes auf.

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    Sein bester, weil treffendster Streich war vielleicht
    der folgende. Wir hatten ein Kienraupenjahr, und die
    Forstheiden der Mark befanden sich in einem aller-
    traurigsten Zustande. Die Potsdamer Regierung sah
    sich deshalb veranlaßt, eine Verfügung zu treffen, in
    der sie mitteilte, wie den Raupen am besten beizu-
    kommen und weiterer Schaden zu vermeiden sei.
    Die Verfügung schmeckte freilich etwas nach »grü-
    nem Tisch« und war unpraktisch. Geist antwortete
    wenige Tage später: »Probatum est! Ich bin in den
    Wald gegangen, habe den Kienraupen das Reskript
    einer königlichen Regierung vorgelesen, und siehe
    da, die Raupen haben sich sämtlich totgelacht .«
    Solche Repliken gingen alsbald von Mund zu Mund
    und machten ihn beim Landvolk, auch wohl bei man-
    chem Gutsbesitzer beliebt, die, um solcher Abferti-
    gungen und Verhöhnungen willen, gern vergaßen,
    was sonst wohl gegen den »tollen Geist« zu sagen
    war. Denn der Landmann unterhält eine natürliche
    Feindschaft gegen den Städter, dessen überhebliches
    Wesen ihn verdrießt und dessen Erlassen und Geset-
    zen er mißtraut. »Der Städter weiß nichts vom
    Land«, das ist ein Satz, der sich von Vater auf Sohn
    vererbt.
    Bis in sein hohes Mannesalter blieb Geist von Beeren
    unverheiratet und führte ein wüstes, sittenloses Le-
    ben. Er hielt einen völligen Harem um sich her. Von
    seiner »Favoritin« hatte er einen Sohn, der des Va-
    ters würdig war und zweimal das ganze Gehöft an-
    zündete und in Asche legte. Geist von Beeren indes
    nahm keinen Anstoß daran, vielleicht weil er sein

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    Abbild darin sah, und ging damit um, diesen Sohn zu
    adoptieren. Dazu gehörte jedoch die Einwilligung
    seines (des alten Geist) einzigen Bruders, der als
    General in preußischen Diensten stand und in Er-
    scheinung und Sinnesart das volle Gegenteil unseres
    Helden und Kobolds war. Er kommandierte die spä-
    tern Brandenburger Kürassiere, die nach ihm damals
    die »von-Beeren-Kürassiere« hießen. Der General
    verweigerte die Zustimmung. Geist von Beeren sei-
    nerseits war natürlich nicht der Mann, dergleichen
    ruhig hinzunehmen, und beschloß, sich zu verheira-
    ten, lediglich seinem Bruder zum Tort. Der Harem
    wurde mit großen Kosten von ihm aufgelöst, und
    gleich danach erfolgte seine Vermählung mit einem
    Fräulein von Eysenhardt. Es währte jedoch nur kurze
    Zeit. Er starb 1812 und hinterließ eine einzige Toch-
    ter. Auch diese schied jung aus dem Leben. Das
    plötzliche Erlöschen der Familie, wie aller Unsegen
    überhaupt, der teils vor, teils nach dem Tode des
    alten Geist die Zugehörigen des Hauses traf, wird mit
    der Familiensage vom » Allerhühnchen « in Verbin-
    dung gebracht. Es ist dies die folgende.
    Vor mehreren hundert Jahren war eine Frau von
    Beeren eines Kindleins glücklich genesen. In einem
    großen Himmelbett, dessen Gardinen halb geöffnet
    waren, lag die junge Frau, neben sich die Wiege mit
    dem Kind, und verfolgte in träumerischem Spiel die
    Schatten, die in dem spärlich erleuchteten Zimmer
    an Wand und Decke auf und ab tanzten. Plötzlich
    bemerkte sie, daß es unter dem Kachelofen, der auf
    vier schweren Holzfüßen stand, hell wurde, und als
    sie sich aufrichtete, sah sie deutlich, daß ein Teil der 2699
    Diele wie eine kleine Kellertür aufgehoben war. Aus
    der Öffnung stiegen alsbald allerhand zwergenhafte
    Gestalten, von denen die vordersten kleine Lichtchen
    trugen, während andere die Honneurs machten und
    die nach ihnen Kommenden willkommen hießen. Alle
    waren geputzt. Ehe sich die Wöchnerin von ihrem
    Staunen erholen konnte, ordneten sich die Kleinen
    zu einem Zuge und marschierten zu zwei und zwei
    vor das Bett der jungen Frau. Die zwei vordersten
    baten um die Erlaubnis, ein Familienfest feiern zu
    dürfen, zu dem sie sich unter dem Ofen versammelt
    hätten. Frau von Beeren war eine liebenswürdige
    Natur, ihr guter Humor gewann die Oberhand, und
    sie nickte bejahend mit dem Kopf. Alsbald kehrten
    die Kleinen unter den Ofen zurück und begannen ihr
    Fest. Aus der Kelleröffnung wurden Tischchen he-
    raufgebracht, andere deckten weiße Tücher darüber,
    Lichterchen wurden aufgestellt, und ehe viele Minu-
    ten um waren, saßen die Kleinen an ihren Tischen
    und ließen sich's schmecken. Frau von Beeren konn-
    te die Züge der einzelnen nicht unterscheiden, aber
    sie sah die lebhaften Bewegungen und

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