Wanderungen durch die Mark Brandenburg
schüttelt er seine Federn und
scheint sich in den Honneurs zu üben, sooft er auf
einem Fuße steht. Jetzt aber meldet sein lauter
Schrei, daß Freund oder Feind im Anzuge, die Tau-
ben flattern auf, und die Mädchen auf dem Hausflur
rufen, was jeder weiß: »Sie kommen!« Im Nu spren-
gen jetzt Vorreiter auf den Hof, der erste Wagen
hält, und die Pferde schnaufen und werfen den
Schaum von den Nüstern; eine lange Reihe von E-
quipagen folgt; aber ehe sie heran sind, öffnet ein
Jäger den Schlag, und den Tritt hinab, der sich beim
Öffnen der Wagentür wie von selber ausbreitet, stei-
gen König und Königin .
2734
Sie haben sich anmelden lassen in Großbeuthen,
haben um Quartier gebeten für die Tage des Manö-
vers, das die Garden auf dem Sandplateau des Tel-
tow eben heute begonnen haben, und da sind sie
nun, um ihren Einzug zu halten. Liebe empfängt sie,
und Ehre geben sie. Die Schilftreppe hinauf schreitet
das hohe Paar, und nach Worten herzlicher Begrü-
ßung treten König und Königin in die für sie bereit-
gehaltenen Zimmer.
Und nun eine Stunde später.
Im Freien ist das Mahl angerichtet unter ein paar
mächtigen Kastanien, die das weiße Linnen des Ti-
sches überschatten. Und was alles hat der Wunsch,
ein Schönstes und Bestes zu tun, aus diesem schlich-
ten Platze gemacht! Der Staketenzaun, dessen Holz-
werk längst die Zeichen gereifter Jahre trägt, hat
seine Moos- und Flechtenpatina hinter Pyramiden
von Riesenmais versteckt, und was im Garten noch
Duft und Farbe hatte, scheint jetzt hier versammelt zu sein. Die Treibhäuser haben ihre Blumentöpfe bis
auf den letzten Mann gestellt, und selbst der
Landsturm der Astern ist aufgeboten worden. Terras-
senförmig stehen sie rechts und links und blicken
einander über die Köpfe fort, als wären sie nicht nur
erschienen, um gesehen zu werden, sondern auch,
um selber zu sehn.
Die trotzigen Tage liegen weit zurück – König und
Königin sind zu Gast in Großbeuthen. Die vollen Blät-
terschirme geben Schatten, und doch liegt ein Son-
nenschein über der Tafel, und das Singen der Vögel
2735
klingt, als wollten sie denen draußen erzählen von
dem Feste, das hier gefeiert wird. Das Auge der Kö-
nigin hängt an dem reizenden Bilde, der König aber,
der den Zauber mehr fühlt als sieht, strömt über von
jener gemüt- und geistgebornen Heiterkeit, die so
viele Herzen eroberte, selbst abgeneigtere als die
Herzen derer, die hier unterm Kastaniendache ver-
sammelt sind.
Das Mahl ist vorüber, und unter den Bäumen wird es
schwül; aber der offene, luftige Garten liegt ausge-
breitet vor ihnen, und seine breiten Steige laden zu
einem Spaziergang ein. Die Obstbaumallee hinauf,
an der Akazienlaube vorüber, am Weinspalier zurück,
so schreitet der König in raschem Geplauder auf und
ab und unterbricht sich nur, wenn aus Näh oder Fer-
ne die Glocken herüberklingen, die den Abend ein-
läuten.
Die Dämmerstunde kommt, und der Tee wird auf der
Gartentreppe serviert. In der Luft ist kaum ein Zit-
tern. Zwei das Haus schützende hohe Platanen brei-
ten ihr Gezweig über die Gruppe hin, und ein paar
Schwarzpappeln, die weitab am Ausgange des Gar-
tens stehn, stehen jetzt wie Schatten vor dem letz-
ten Streifen der Abendröte. Stiller wird's, und nur ein Hauch, der sich eben regt, zieht über die Levkojenbeete hin und trägt ihren Duft bis zu der Gartentrep-
pe hinauf. »Wie schön es bei Ihnen ist«, wendet sich
der König an die Dame des Hauses und atmet höher
und voller, als bad er sich in der duftigen Frische des Abends.
2736
Aber diese Frische wird allmählich zur Kühle; jung
und alt beginnen zu frösteln, und der Schutz und
Wärme bietende Gartensaal empfängt die hohen
Gäste. »Was lesen wir?« fragt der König. »Ehre, dem
Ehre gebührt; ich dächte, wir hörten ein Kapitel heut
aus der Geschichte der Görtzkes.«
Und der Vorleser verbeugt sich und rückt an den
Tisch. Beschämt und gehoben zugleich sitzen die
Görtzkes umher und horchen auf jedes Wort. Sie
kennen alles, aber das Bekannteste selbst klingt ih-
nen heute neu, wo der König dem Berichte lauscht.
Von ihrem Eltervater wird gelesen, von Joachim
Ernst von Görtzke, dem »alten Görtzke« par excel-
lence. Nichts wird vergessen: wie er als Page Marie
Eleonorens in schwedische Dienste kam; wie er unter
dem Schwedenkönig bei Leipzig focht; wie ihn die
Kaiserlichen bei Lützen zum Hinkefuß und
Weitere Kostenlose Bücher