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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

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Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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    ein Mann aus dem Vollen, schreitet langsam von
    Platz zu Platz, und nur dann und wann bleibt er ste-
    hen und blickt musternd über die Schulter der Zeich-
    nenden. »Det is jut«, sagt er dem einen und klopft
    ihm, als Zoll der Anerkennung, mit seiner mächtigen
    Hand auf den Kopf. »Det is nischt«, sagt er zu dem
    andern und geht weiter. Ein dritter müht sich eben,
    den Umriß einer menschlichen Figur auf dem Papiere
    festzuhalten, aber die Linien sind nicht sicher gezo-
    gen, und die Proportionen sind falsch. Der Alte heißt
    ihn aufstehen, nimmt seinerseits Platz auf dem leer
    gewordenen Stuhl und sagt dann lakonisch: »Nu paß
    uff. Ich mach det so.« Dabei nimmt er des Schülers
    Kreidestift, tupft Punkte mit fester Hand auf das
    graue, grobkörnige Zeichenpapier, und während er
    diese Punkte mittelst sicher gezogener Linien unter-
    einander verbindet, brummt er vor sich hin: »Det
    hab ich von meinen Vater. Der war 'n Schneider.«
    Gottfried Schadow, der Schneiderssohn, ist Gottfried
    Schadow, der Akademiedirektor, geworden, ein be-
    rühmter Mann, ein Name, der Klang hat von einem
    Ende Europas bis zum andern. Derselbe Gottfried,
    der dienstfertig aufsprang, wenn der strenge Vater
    mit dem Deckelkruge klappte, derselbe Gottfried ist
    jetzt seinerseits ein strenger Hausherr geworden,
    vielleicht nicht strenger als der Vater, aber mächtiger und gefürchteter. Sein Haus ist die Akademie, darin
    waltet er als König und Herr und hat seine Macht
    längst als einen unerschütterlichen rocher de bronze
    stabiliert. Die Zeiten, wo er Beispiele statuieren
    mußte, liegen hinter ihm, und nach Art eines alt und
    milde gewordenen Autokraten spielt er nur noch mit

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dem Zügel seiner Herrschaft. Aller Abzeichen seiner
    Würde, jedes repräsentativen Flitters hat er sich
    längst entkleidet; er regiert durch sich selbst, kraft
    seiner Kraft. Ob das Sacktuch, das er aus seinem
    taschenreichen Rocke zieht, von Kattun ist oder von
    Seide; ob er riesige Filzschuhe trägt oder kalblederne
    Stiefel (in die, der Ballen und Zehen halber, immer
    große Löcher geschnitten sind); ob er hochdeutsch
    spricht oder in einem Berliner Platt – es kümmert ihn
    nicht und kümmert andre nicht, denn weder er noch
    andre vergessen es, daß er »der alte Schadow« ist.
    Herrschergewohnheit und das Bewußtsein völliger
    Überlegenheit haben seinem Auftreten längst jede
    Spur von Scheu genommen, und was er denkt und
    fühlt, das spricht er aus. Sein Wille ist Gesetz; seine Laune nicht minder. Eine kleine Szene mag schildern, wie er das Zepter führt.
    Es ist eine Abendsitzung. Der akademische Senat hat
    sich versammelt: berühmte Maler und Bildhauer;
    keiner fehlt. Der Saal ist hell erleuchtet und das Licht fällt auf die schönen Blechenschen Zeichnungen, die
    ringsum an den Ständern und Wandschirmen befes-
    tigt sind. Am obern Ende des Ovaltisches aber, des-
    sen grüne Decke mit vielen hundert Goldnägelchen
    an der Tischplatte befestigt ist sitzt der alte Scha-
    dow, die Arme bequem auf die Seitenpolster eines
    Lehnstuhls gelegt, während seine Füße in hohen
    Pelzstiefeln stecken und ein mächtiger grüner Au-
    genschirm uns die obere Hälfte seines Gesichtes ver-
    birgt. Es ist heut ein wichtiger Tag: Annahme neuer
    Schüler, und am entgegengesetzten Saalende steht
    Professor Stabfuß und kontrolliert alle sich zur Auf-

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    nahme Meldenden. Wessen Zeugnisse nicht in Ord-
    nung sind, wer zu jung ist oder zu alt, wird unerbitt-
    lich zurückgewiesen, und heitre und verblüffte Ge-
    sichter wechseln untereinander ab. Da tritt ein jun-
    ges Bürschchen ein, ein echtes Berliner Kind, dessen
    kraus aufrecht stehendes Haar gegen alle Ängstlich-
    keit in der Welt zu protestieren scheint. Am besten,
    ich stell ihn vor: Richard Lucae, später selber ein
    Direktor (der Bauakademie).
    Die Sicherheit seines Auftretens, auf daß nichts ver-
    schwiegen werde, hat freilich noch seine besonderen
    Gründe: Der alte Schadow ist Hausfreund bei des
    blonden Krauskopfs Eltern, und kein Geburtstag ist
    seit funfzehn Jahren vergangen, wo nicht die Mutter
    des eben Eingetretenen, eine heitre thüringische
    Frau, dem »Herrn Nachbar und Gevatter« einen
    Quarkfladen als Geburtstagsgeschenk übermittelt
    hätte. Das Berliner Kind kennt natürlich die Welt; die
    Macht der Connexion ist ihm kein Geheimnis mehr,
    und auf Professor Stabfuß' wiederholte Frage nach
    Zeugnissen und allerhand andern Papieren erklärt er
    mit äußerster

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