Wanderungen durch die Mark Brandenburg
daß alles angeordnet
sei, lud ihn der General ein, in Liebenwalde zu blei-
ben und an der Feier teilzunehmen. »General«, erwi-
derte Knesebeck, »Sie haben zu befehlen; wenn ich
bleiben muß , so werd ich bleiben; aber kein preußischer Offizier wird sich aus freien Stücken dazu ent-
schließen, bei solchem Feste zugegen zu sein.« Ein
prüfender Blick traf den Sprecher. Dann trat Vilatte
an ihn heran und schüttelte ihm herzlich die Hand.
2724
Später, als das Generalkommando von Liebenwalde
nach Ruppin hin verlegt worden war, entspann sich
ein immer freundlicheres Verhältnis zwischen Knese-
beck und dem französischen General. Vilatte war ein
Ehrenmann, ein Soldat von ritterlichem Sinn. Das-
selbe galt von seinem Adjutanten, dem Hauptmann
Denoyer, einem Kreolen von Martinique, der im Hau-
se Knesebecks eine Wohnung bezog und in liebens-
würdiger Weise die Beziehungen zwischen diesem
und dem General zu fördern wußte. Die Mußestun-
den, die der Dienst gönnte, wurden verplaudert;
man verweilte gern bei früheren Aktionen und fühlte
sich doppelt zueinander hingezogen, als sich bei die-
sen Gesprächen herausstellte, daß man sich während
der Rheincampagne gegenübergestanden und auf
der Mainzer Schanze Kugeln miteinander gewechselt
hatte.
Mittlerweile wütete der Krieg in Spanien fort, wo im Juli 1808 die Kapitulation von Bailén eingetreten war.
Knesebeck wußte davon, nicht aber Vilatte, der vielmehr umgekehrt von neuen Siegen und einem nahen
Frieden träumte, mit Vorliebe von dem baldigen Ab-
marsch der französischen Truppen sprach und daran
eine Einladung an Knesebeck knüpfte, ihn auf seinem
»Château« in der Umgegend von Nancy zu besu-
chen.
Knesebeck erwiderte: »General, Sie werden uns bald
verlassen, aber nicht , um in die Heimat zu ziehen.
Der Frieden ist ferner denn je.«
2725
»Sie irren, Knesebeck; unsere Affairen in Spanien
stehen gut; der Krieg geht auf die Neige.«
»Ich bezweifle es, General. Darf ich mich offen zu
Ihnen aussprechen?«
»Eh bien, parlez!«
»General, man hintergeht Sie. Die Bulletins Ihres
Kaisers sind Täuschungen; es geht nicht gut; General Dupont hat bei Bailén kapituliert.
17000 Franzosen sind kriegsgefangen.«
»Sind Sie dessen so sicher?«
»Ganz sicher.«
»Eh bien, nous verrons. In acht Tagen sprechen wir
weiter davon.«
Die acht Tage verstrichen und brachten die einfache
Bestätigung der Kapitulation. Vilatte geriet in die
höchste Aufregung, ließ Knesebeck zu sich entbieten,
schüttete ihm sein Herz aus über die endlosen Krie-
ge, wiederholte aber dennoch seine Einladung. Beide
Männer waren bewegt. Knesebeck antwortete end-
lich: »Ich nehme Ihre Einladung an, General; ich
werde kommen. Aber wenn wir uns wiedersehn, wird
es in großer Gesellschaft sein .«
2726
Das war 1808. Die französischen Truppen marschier-
ten ab, aber nicht in die Heimat, vielmehr – nach Spanien.
Fünf Jahre später, als auch für Preußen der Tag der
Erlösung anbrach, jubelte Knesebeck. Er hoffte den
großen Kampf mitkämpfen zu können, aber eine Ca-
binetsordre berief ihn als ständischen Kommissar
nach Potsdam, wo ihm die Aufgabe zufiel, bei der
Organisation der kurmärkischen Landwehr tätig zu
sein. So blieb es ihm versagt, mit ins Feld zu rücken
und an den Ehren jener großen Zeit unmittelbar teil-
zunehmen, bis endlich, im Jahre darauf, die Rück-
kehr Napoleons und das rasche Vorrücken der Preu-
ßen, um dem drohenden Stoße so früh wie möglich
zu begegnen, ihm auch diesen Wunsch erfüllte. Er erhielt eine Compagnie im 6. kurmärkischen Landwehrregiment, marschierte mit nach Flandern und
focht bei Ligny, Sombreffe und Wavre.
So kam er auch nach Paris . Sein erster Gang war zu Vilatte, damals Chef der Gendarmerie der Hauptstadt. »Bonjour, général! da bin ich; erkennen Sie
mich wieder?« – »Mon Dieu, Knesebeck, c'est vous«
– und die alten Gegner und Freunde schüttelten sich
die Hand. Knesebeck hatte sein Wort gelöst; er war
gekommen, aber »in großer Gesellschaft«, wie er
prophezeit hatte.
Weihnachten 1815 kehrte er heim, ererbte bald da-
nach Löwenbruch und zog sich 1829 nach dem be-
nachbarten Jühnsdorf zurück. Unter allen Tagen sei-
nes Lebens blieb ihm der Silvestertag 1807 der teu-
2727
erste, wo die Stadt Ruppin ihm in festlicher Ver-
sammlung die Bürgerkrone überreicht hatte. Und in
der Tat, mit freudigem Stolze mocht er sich der Wor-
te erinnern, die
Weitere Kostenlose Bücher