Wanderungen durch die Mark Brandenburg
niederzulassen, alle drei
jedoch zogen den Dienst und ihre städtischen Garni-
sonen einem Gröbner Aufenthalte vor und einigten
sich unschwer darin, ein ihnen aus mehr als einem
Grunde wenig begehrenswert erscheinendes Besitz-
tum an einen schlesischen Vetter, einen Sohn des
vorgenannten Ernst Wilhelm von Schlabrendorf, ab-
zutreten.
Dieser Ernst Wilhelm von Schlabrendorf nun, ein
jüngerer Bruder Gustav Albrechts, hatte sich, wäh-
rend dieser in der Armee von Stufe zu Stufe stieg, im
Staatsdienste zu der hohen Stellung eines dirigieren-
den Ministers von Schlesien emporgeschwungen und
blieb in dieser bis zu seinem 1770 erfolgenden Tode.
Von seinen fünf Söhnen1) stellten sich die vier ältes-
ten um nichts günstiger zu der Besitzergreifungsfra-
ge von Gröben als ihre drei Gustav Albrechtschen
Vettern, und nur der jüngste, dem, wie wir in der
Folge sehen werden, ein gewisser romantischer Zug
innewohnte, zeigte sofort eine Neigung, das alt-
Schlabrendorfsche Familiengut auch bei den
Schlabrendorfs erhalten zu sehn. Und so bracht er es
käuflich an sich.
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Heinrich Graf Schlabrendorf
Dieser jüngste Sohn Ernst Wilhelms, des dirigieren-
den Ministers von Schlesien, war Heinrich von
Schlabrendorf, der in demselben Jahre 1786, in dem
er Gröben käuflich an sich gebracht, auch den Gra-
fentitel erhalten hatte. Seine Mutter war ein Fräulein
von Otterstedt während seine drei ältesten Brüder,
und unter ihnen Graf Gustav, »der Pariser Graf«, aus
der ersten Ehe seines Vaters mit einem Fräulein von
Blumenthal geboren waren.
Graf Heinrich trat früh in das Regiment Czettritz-
Husaren, die jetzigen Braunen oder Ohlauschen Hu-
saren, und machte als junger Offizier die Bekannt-
schaft eines durch Schönheit, Geist und Wissen aus-
gezeichneten Fräuleins von Mützschefahl, deren Va-
ter in demselben Husarenregiment ein oberes Kom-
mando bekleidete. Diese Bekanntschaft führte bald
zu Verlobung und Vermählung; um welche Zeit in-
des, ist nicht mit Bestimmtheit ersichtlich. Erst
um 1792, also sechs Jahre nach Ankauf von Gröben,
wurde das älteste Kind geboren und abermals zwei
Jahre später (1794) ein Sohn: Graf Leopold von
Schlabrendorf.
Es war wohl keine Neigungsheirat gewesen, wenigs-
tens nicht von seiten des Fräuleins, und so wurden
aus Geschmacks- und Meinungsverschiedenheiten
alsbald Zerwürfnisse. Man mied sich, und wenn der
Graf in Gröben war, war die Gräfin in Berlin und um-
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gekehrt. Aber auch in diesem Sich-Meiden empfan-
den beide Teile noch immer einen Zwang, und ihre
Wünsche sahen sich erst erfüllt, als gegen Ende des
Jahrhunderts aus der bloß örtlichen Trennung auch
eine gesetzliche geworden war. Der Sohn verblieb
dem Vater, die Tochter folgte der Mutter, welche
letztere, noch eine schöne Frau, bald danach einem
thüringischen Herrn von Schwendler ihre Hand reich-
te. Doch auch Graf Heinrich vermählte sich bald wie-
der, und zwar mit einem Fräulein von Mecklenburg,
aus welcher Ehe demselben abermals eine Tochter:
Gräfin Johanna von Schlabrendorf, geboren wurde.
Dies war 1803, am 22. April, nachdem bereits einige
Zeit vorher das nur etwa fünfzehn Jahre lang in er-
neutem Schlabrendorfschen Besitz gewesene Gröben
in nunmehr völlig fremde Hände, die des Oberrech-nungsrates Schmidt, übergegangen war. Es blieb
freilich auch diesem nicht, kehrte vielmehr, wie
gleich hier bemerkt werden mag, nach Ablauf einer
bestimmten Frist (und dann einige Jahre später auch
Siethen) ein drittes Mal in den Besitzstand der Schlabrendorfschen Familie zurück; eh ich jedoch die
zu dieser dritten und letzten Schlabrendorfschen
Gutsübernahme führenden Verhältnisse schildere –
Verhältnisse, daran Graf Heinrich, trotzdem er da-
mals noch lebte, nicht mehr beteiligt war –, versuch ich es zuvor, dem Lebensgange des Grafen einzig
und allein im Hinblick auf seine Person einen
Abschluß zu geben.
Unmittelbar nach dem Verkauf des Gutes war er
nach Berlin übersiedelt, um daselbst seinen oft
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wechselnden, im übrigen aber immer harmlosen Pas-
sionen leben zu können. Von Erfüllung eigentlicher,
ihm naheliegender Pflichten, beispielsweis auf dem
Gebiete der Erziehung, war dabei wenig die Rede,
solche Pflichterfüllungen fanden nur statt, wenn die
Passionen, was gelegentlich vorkam, damit zusam-
menfielen.
Über die Dauer seines Berliner Aufenthalts sind nur
Mutmaßungen gestattet; er fand nicht, was er
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