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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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    te, langweilte sich inmitten aller Zerstreuungen oder
    erkannte sie wenigstens nicht als angetan, ihn alle
    damit verbundenen Unbequemlichkeiten vergessen
    zu lassen. Und so wandt er sich denn einer neuen
    Passion zu, der Reise passion, und beständiger Ortswechsel wurd ihm Lebensbedürfnis. Aber auch hierin
    verfuhr er abweichend von andern, und anstatt sich
    auf Alpentouren oder Weltfahrten einzulassen, wozu
    wenigstens anfangs die Mittel vorhanden gewesen
    wären, gefiel er sich darin, Entdeckungsreisen zwi-
    schen Oder und Elbe zu machen und in praxi märki-
    sche Heimatskunde zu treiben.
    Aber freilich auch diese Reiseperiode schloß ab, und
    wahrnehmend, daß er die gewünschte Rast in der
    Unrast nie finden werde, beschloß er, probeweise
    den umgekehrten Weg einzuschlagen und die Ruhe
    ganz einfach in der Ruhe zu suchen. Er fing deshalb
    an, auf Hausstand und selbständige Wirtschaftsfüh-
    rung zu verzichten und sich statt dessen bei kleinen
    Familien auf dem Lande, denen sein Rang und sein
    Vermögen imponieren mochte, für länger oder kürzer
    in eine halb freundschaftliche, halb patronisierende

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    Pension zu geben. In der Neumark, in Pommern, in
    Mecklenburg, überall wiederholten sich diese Versu-
    che, bis er endlich in dem ihm ebenbürtigen und aus
    alter Zeit her befreundeten General von Thümen-
    schen Hause zu Caputh ein Ideal und die Verwirkli-
    chung aller seiner Wünsche fand. Es kam dies daher,
    daß der alte General von Thümen, auch ein Original,
    ihn ruhig gewähren ließ und immer nur beflissen
    war, »ihm seine Kreise nicht zu stören«. Beide lebten
    denn auch ein ebenso kameradschaftliches wie
    zwangloses Leben, in dem jeder seiner Lust und
    Laune nachhing und kein andres Haus- oder Tages-
    gesetz anerkannte wie rechtzeitiges Erscheinen am
    Mittags- und abends am Bostontisch.
    In Caputh war es denn auch, daß Graf Heinrich seine
    Tage beschloß. Eh ich aber von diesem seinem Aus-
    gang erzähle, versuch ich vorher noch eine Charak-
    terskizze.
    Graf Heinrich hatte den Schlabrendorfschen Famili-
    enzug, oder doch das, was damals als schlabrendor-fisch galt, im Extrem. Er übertraf darin noch seinen
    Sonderlingsbruder in Paris. Im Grunde gut und
    hochherzig, dazu nicht ohne Wissen und Verstandes-
    schärfe, gestaltete sich sein Leben nichtsdestoweni-
    ger weder zum Glücke für ihn noch für andere, weil
    er jenes Regulators entbehrte, der allen Dingen erst
    das richtige Maß und das richtige Tempo gibt. Er ging
    immer sprungweise vor, war launenhaft und eigen-
    sinnig und bewegte sich sein Leben lang in Wider-
    sprüchen. Er liebte, wie das Sprüchwort sagt, die
    Menschen und Dinge »bis zum Totdrücken« und be-

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    dauerte hinterher, »es nicht getan zu haben«. Am
    meisten zeigte sich dies in seinen jüngeren Jahren,
    wo das sehr bedeutende Vermögen, über das er da-
    mals noch Verfügung hatte, das Erkennen eines von
    ihm mit Vorliebe gepflegten Gegensatzes zwischen
    einem extremen Luxus- und einem extremen Ein-
    siedlerleben außerordentlich erleichterte.
    In Gröben erzählt man davon bis diesen Tag. Ent-
    sann er sich beispielsweise, daß es mal wieder an
    der Zeit sei, gräflich Schlabrendorfscher Repräsenta-
    tion halber nach Berlin zu fahren, so wurde der alte
    Staatswagen aus der Remise geholt und der berühm-
    te Trakehnerzug, vier Isabellen, mit aller Feierlichkeit eingespannt; ein Jäger saß auf dem Bock, zwei Heiducken standen rechts und links auf dem Tritt, und
    ein dritter lief als Läufer der Cavalcade vorauf. Alles in Gala. So mahlte man durch den Sand, und die
    Dorfleute sahen dem Zuge nach. War man aber wie-
    der daheim, so warf er diese Repräsentationslast als
    unbequem von sich und las und las oder lud Leidener
    Flaschen an einer halbmannshohen Elektrisierma-
    schine, bis er sich eines Tages wieder all seiner Vor-
    nehmheit und Vornehmheitsverpflichtungen entsann
    und nun aufs neue Boten über Boten schickte, die
    die Nachbarschaft zu großer Tafel »invitieren« muß-
    ten. Indessen, das waren Ausnahmen oder Anfälle,
    die Regel war und blieb, es gehenzulassen, wie's
    eben ging. Er hatte mindestens sieben Diener im
    Haus, aber nicht für einen gab es zu tun, so daß das Umherliegen die Leute schlecht und übermütig
    machte. Das Ganze, seinem Zuschnitt und Wesen
    nach, mehr polnisch als preußisch. Zerschlug das

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    Hagelwetter in den leerstehenden Oberzimmern ein
    Dutzend Fenster, so wurden Lappen eingestopft, weil
    es sich nicht verlohnte,

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