Wanderungen durch die Mark Brandenburg
momentaner Ungnade. Das
war 1770. Als Guichard in ebendiesem Jahr
die Zustimmung zu seiner Verheiratung mit
Fräulein von Schlabrendorf auf Gröben nach-
suchte, verweigerte der König den Konsens,
und zwar »weil er von zu schlechter Herkunft
sei; sein Großvater sei bloß Töpfer gewesen«.
Auch diesen Hieb suchte Guichard zu parieren
und erwiderte: »Seine Majestät seien auch
Töpfer. Die ganze Differenz bestehe darin,
daß sein Großvater Fayence gebrannt habe,
während der König Porzellan brenne.« Letzte-
rer blieb aber bei seinem ungnädigen Wider-
spruch, und Guichard nahm den Abschied.
Indes nicht auf lange. Kein Jahr, so ließ ihn
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der König wieder rufen und war gnädiger als
zuvor.
2. Es ist die Frage gestellt worden, ob solche
Kritik in einem Kirchenbuche zulässig sei.,
was ich auf das bestimmteste bejahen möch-
te. So gewiß es einem Geistlichen zusteht,
von der Kanzel her, oder selbst am Grabe, die
besondere Verruchtheit eines Ehrlosen zu
brandmarken, der – wie vielleicht erst die
Stunde seines Todes aufdeckte – Witwen und
Waisen um das Ihrige betrog, so gewiß muß
es ihm auch zustehen, im Kirchenbuche Dinge
niederzuschreiben, die solcher öffentlichen
Anklage gleichkommen. Ich bin sogar der An-
sicht, daß dies häufiger geschehen und ein
derartiges Vorgehen unter die ständigen Kir-
chenzuchtsmittel aufgenommen werden soll-
te. Denn es gibt in der Tat Naturen, die vor
solchem auf Jahrhunderte hin unerbittlich ü-
berliefertem Wort mehr Respekt haben, ja
mehr in Furcht sind als vor einem lebzeitigen
Skandal. Ein Amtsmißbrauch ist aber um so
weniger zu befürchten, als ein Appell von sei-
ten der in gewissem Sinne mitbetroffenen
Verwandtschaft an die vorgesetzte kirchliche
Behörde ja jederzeit offenstehn und selbst-
verständlich, im Falle sich ein Übergriff her-
ausstellen sollte, zur Entfernung des Geistli-
chen aus seinem Amt, eventuell auch zu wei-
terer Bestrafung führen würde. – Was übri-
gens speziell unseren Pastor Redde betrifft, so
muß ihm dieser »letzte Schlabrendorf auf
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Siethen« ein ganz besondrer Dorn im Auge
gewesen sein, da wir in anderweiten, einige
Jahre später gemachten Kirchenbuchauf-
zeichnungen ebendiesen Redde nicht nur als
einen durchaus unzelotischen, sondern sogar
als einen höchst complaisanten und beinah
höfischen alten Herrn kennenlernen. Es be-
zieht sich dies namentlich auf ein französisch
abgefaßtes und an eine damals etwa sieben
Jahr alte Comtesse Brandenburg (Tochter
Friedrich Wilhelms II.) gerichtetes Sinnge-
dicht, das nach Überschrift und Inhalt folgen-
dermaßen lautet: »A l'anniversaire de la nais-
sance de Mlle. Julie, Comtesse de Brande-
bourg, célébré le 4 Janvier à Siethen par le
curé Redde. ›Vos fleurs de la jeunesse –
S'augmentent dès ce jour; – Les fruits de la
sagesse – En viennent à leur tour. – O gardez
tout bouton, afin qu'il bien fleurisse, – Afin
que toute fleur en fruit pour vous mêurisse.‹«
2786
II
Gröben und Siethen
unter den neuen Schlabrendorfs
Die vorstehenden Auszüge schließen mit dem Jahre
1786.
In ebendiesem Jahre war auch Gröben – wie Siethen
schon acht Jahre früher – der alten Schlabrendorf-
schen Linie verlorengegangen, aber nur um im Ge-
gensatze zu Siethen, das auf Jahrzehnte hin der Fa-
milie verloren blieb , unmittelbar auf eine andere, jüngere Linie der Schlabrendorfs überzugehen.
Eine Klarstellung dieser Punkte fordert einen kleinen
genealogischen Exkurs.
Zu Beginn des achtzehnten Jahrhunderts hatten die
gröbenschen Schlabrendorfs, die bis dahin, den Bi-
schof abgerechnet, in unsrer Landesgeschichte von
nicht sonderlicher Bedeutung gewesen waren, einen
Aufschwung genommen, und zwar in dem Brüder-
paare Gustav Albrecht von Schlabrendorf und Ernst
Wilhelm von Schlabrendorf.
Des ersteren (Gustav Albrecht) ist in vorstehendem
bereits ausführlich Erwähnung geschehen. Er war,
um in Kürze zu rekapitulieren, einer der Helden des
Siebenjährigen Krieges, kommandierte bei Zorndorf
das alt-Platensche Dragonerregiment und wurde spä-
ter Generalmajor und Chef der zu Breslau garniso-
nierenden Kürassiere. Nach seinem 1765 erfolgten
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Ableben ward er nach Gröben übergeführt und in der
Kirche daselbst in unmittelbarer Nähe des Altars bei-
gesetzt. Es würde nun dem einen oder andern seiner
überlebenden drei Söhne zugestanden haben, auf
dem alten Familiengute sich
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