Wanderungen durch die Mark Brandenburg
nach dem inzwischen erfolgten Sturze
Robespierres, in Freiheit gesetzt. Unter Napo-
leon, obwohl dieser von Schlabrendorfs schar-
fer Kritik über ihn hörte, blieb er als »Sonder-
ling« unangefochten. Er war Philosoph und
Philanthrop und verwendete seine nicht unbe-
deutenden Einkünfte zu wohltätigen Zwecken,
besonders für seine Landsleute. Nach den Be-
freiungskriegen (er blieb immer in Paris)
empfing er das Eiserne Kreuz. Er starb da-
selbst am 22. August 1824. In Gröben befand
sich ein Portrait von ihm, Kniestück, das um
seiner storren Frisur und seiner Glotzaugen
willen das Entsetzen aller Kinder war, die des
Bildes daselbst ansichtig wurden. Es kam spä-
ter fort und befindet sich jetzt auf dem
Kalckreuthschen, bei Landsberg a. W. gelege-
nen Schloß Hohenwalde.
Graf Leo Schlabrendorf
Das war 1829.
Schon sieben Jahre vorher (1822) war das zu Beginn
des Jahrhunderts veräußerte Gröben abermals an
einen Schlabrendorf übergegangen, und zwar an
Graf Heinrichs einzigen Sohn: den Grafen Leopold
von Schlabrendorf.
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Graf Leopold oder Graf »Leo«, wie man ihn in Grö-
ben in üblicher Abkürzung nannte, war um das Jahr
1794 geboren worden, und zwar unter Vorgängen,
die nicht bloß charakteristisch an sich, sondern auch
in gewissem Sinne maßgebend für den Gang seines
ganzen Lebens waren. Er, Graf Leo, wies oft auf die-
se Vorgänge hin, und der von ihm allezeit mit Vorlie-
be wiederholte Satz: »Ich bin für Gröben bestimmt«,
schrieb sich von diesem seinem Geburtstage her. Es
hatte damit folgende Bewandtnis.
Als nämlich die Zeit herangekommen war, daß die
Gräfin eines Knäbleins genesen sollte (denn auf ei-
nen Stammhalter wurde mit Sicherheit gerechnet)
und sogar das Dorforakel, die »Treutschen«, in aller
Bestimmtheit erklärt hatte: »es daure keine Woche
mehr«, befahl Graf Heinrich das Erscheinen der
Staatskutsche, nicht ganz unrichtig davon ausge-
hend, daß ein junger Graf Schlabrendorf unmöglich
anders als unter Assistenz des Leibmedikus und be-
rühmten alten Entbindungsdoktors Dr. Ribke geboren
werden könne. Die Gräfin war es zufrieden, und
schon zwei Stunden später erschien die Kutsche
ganz in dem früher beschriebenen Aufzuge: zwei
Heiducken auf dem Wagentritt und ein Läufer in Gala
vorauf. Und so ging es auf Großbeeren zu. Bevor
aber dieses Dorf, das erst ein Drittel des Weges war,
erreicht werden konnte, versicherte die Gräfin schon:
»es gehe nicht weiter«, auf welche nur allzu glaub-
hafte Versicherung hin der Wagen gewandt und der
Läufer unter Zusicherung eines doppelten Wochen-
lohnes angewiesen wurde, »citissime nach Gröben
zurückzukehren, um daselbst die nunmehr wohl oder
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übel an die Stelle des alten Dr. Ribke tretende
›Treutschen‹ ins Herrenhaus zu befehlen«. Und wirk-
lich, das heimische Dorf wurde noch gerad ohne Zwi-
schenfall erreicht; aber kaum daß die Heiducken ab-
gesprungen und die Teppiche vom Wagen aus bis
zum Portale gelegt worden waren, so war auch schon
die Stunde gekommen, und in dem dicht am Eingan-
ge gelegenen Wohn- und Arbeitszimmer des Grafen,
in das man die Gräfin nur eben noch hatte schaffen
können, genas sie wirklich eines Knäbleins, des Gra-
fen Leo, des erwarteten Schlabrendorfschen Stamm-
halters. Es hatte nicht in Berlin sein sollen; » er war für Gröben bestimmt «.
Über seine Kindheit verlautet nichts, auch nicht über
seine Knaben- und Jünglingsjahre; sehr wahrschein-
lich, daß er vorwiegend unter Zutun seiner Mutter –
die, trotz ihrer zweiten Ehe, den Kindern aus der
ersten eine große Zärtlichkeit und Treue bewies – in
Pension kam und nach absolvierter Schulzeit in juris-
tisch-kameralistische Studien eintrat. Aber eh er die-
se vollenden konnte, kam der Krieg und bot ihm
Veranlassung, als Volontair bei den Towarczys einzu-
treten, einem Ulanenregiment, das vielleicht noch
aus den Tagen der »alten Armee« her diesen etwas
obsoleten und nur in den neunziger Jahren unter
General Günther (der der »Vater der Towarczys«
hieß) vielgenannten Namen führte.
Nach dem Kriege begegnen wir ihm alsbald als Re-
gierungsassessor in Trier, wo das durch Gastlichkeit
und Feinheit der Sitte sich hervortuende Haus des
Generals von Ryssel1) ihn anzog, am meisten aber
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des Generals Tochter, Fräulein Emilie von Ryssel, mit
der er sich denn auch, nach kurzem Brautstand, im
Sommer 1820 vermählte. Zwei Jahre noch verblieb
er in
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