Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
Vom Netzwerk:
Trier, im schwiegerelterlichen Hause, bis er
    1822 unter freudiger Zustimmung seiner jungen
    Frau, die die landwirtschaftliche Passion mit ihm teil-
    te, nach Gröben hin übersiedelte, das wieder an die
    Schlabrendorfs zu bringen – ein von Jugend auf von
    ihm gehegter Wunsch – ihm um ebendiese Zeit ge-
    lungen war.
    Die Verhältnisse waren ihm bei diesem Wiederankauf
    ebenso günstig gewesen, als sie sich für den Vorbe-
    sitzer und seine Nachkommen einundzwanzig Jahre
    lang eminent ungünstig erwiesen hatten. Alle Leiden
    und Nachwehen einer langen Kriegs- und Invasions-
    epoche waren zu tragen gewesen und hatten zu sol-
    cher Verschuldung des Gutes geführt, daß der nun-
    mehrige Kaufpreis desselben in nichts weiterem be-
    stand als in Übernahme der darauf eingetragenen
    Hypotheken, die sich freilich, wie gesagt werden
    muß, hoch genug beliefen.
    Es gab nun also wieder eine wirkliche Gröbener
    Gutsherrschaft, und zwar eine, wie man sie lange
    nicht im Dorfe gekannt hatte, richtiger noch, wie sie
    nie dagewesen war. Ordnung und Sitte waren mit
    dem jungen Paare gekommen, auch Beistand in Rat
    und Tat, und soweit es in Menschenhände gegeben
    ist, dem Unglück und dem Unrecht zu wehren, so-
    weit wurd ihm gewehrt.

    2800
    Aber nicht nur die Dorfgemeinde durfte sich der neu-
    en Gutsherrschaft freuen, die neue Gutsherrschaft
    wußte mit der Erfüllung ihrer nächstliegenden Pflich-
    ten auch Schönheitssinn und Sinn für das Allgemeine
    zu verbinden und erreichte dadurch, daß das Gröbe-
    ner Herrenhaus auf drei Jahrzehnte hin ein Sammel-
    und Mittelpunkt geistiger Interessen wurde. Von dem
    Leben der großen Welt hielt man sich geflissentlich
    fern, aber was sich darin hervortat, insonderheit als
    ein »erst Werdendes« hervortat, das empfing entwe-
    der aufmunternde Zustimmung oder wohl auch Pfle-
    ge, solang es solcher Pflege bedurfte. Junge Kräfte
    wurden unterstützt, Bilder und Büsten in Auftrag
    gegeben, Reisestipendien erwirkt oder persönlich
    bewilligt, und wie die Türen allezeit offenstanden, so
    standen auch die Herzen auf in dem immer sonnigen
    und immer gastlichen Hause. Diese Gastlichkeit ent-
    hielt sich jedes Luxus, ja verschmähte denselben,
    aber so schlicht sie sich gab, so grenzenlos gab sie
    sich auch. Und lag schon hierin ein Zauber, so lag er
    viel, viel mehr noch in der einfach distinguierten Le-
    bensauffassung, die hier still und ungesucht um die
    Herzen warb, und in dem Ton, der der Ausdruck die-
    ser Lebensauffassung war. Es war ganz der gute Ton
    jener Zeit (einer über -, aber freilich auch unterschätzten Epoche), ein Ton, der das heutzutage so
    sehr hervortretende spezialistisch Einseitige vermied
    und umgekehrt in dem Geltenlassen andrer Beschäf-
    tigungen und Richtungen die Pflicht und Aufgabe der
    Gesellschaft erkannte. Nichts war ausgeschlossen,
    und Scherz und Anekdote – selbst wenn sich etwas
    von dem Übermute der damaligen Witzweise darin
    spiegelte – hatten so gut ein Haus- und Tischrecht

    2801
    wie die Fragen über Kunst und Wissenschaft oder die
    speziell auch in dem Gröbener Kreise mit Vorliebe
    gepflegten altpreußischen Thematas von Armee und
    Verwaltung, von Staat und Kirche.
    Sogar Landwirtschaftliches interessierte lebhaft, am
    meisten freilich den Grafen selbst, der, im Gegensatz
    zu seinem dilettantisch und skurril herumexperimen-
    tierenden Vater, eine große theoretische Kenntnis
    und alsbald auch ein reiches Erfahrungswissen inne-
    hatte, das ihn zu den mannigfachsten Reformen,
    Einrichtungen und Ankäufen gleichmäßig befähigte.
    Bei dieser großen Tüchtigkeit und Umsicht in prakti-
    schen Dingen konnt es nicht ausbleiben, daß ihm
    mehr als einmal, und zwar jedesmal aus Regierungs-
    kreisen her, der Antrag gemacht wurde, sich seiner
    Gröbener Einsamkeit begeben und in die große Welt,
    in der er in seiner Jugend gelebt und mit der er die
    Fühlung nie verloren hatte, wieder eintreten zu wol-
    len. Aber er lehnte jedes dahin zielende Wort mit der
    Erklärung ab: » Ich bin für Gröben bestimmt .«
    Auch das Jahr 1848, das verdoppelt die Forderung
    einer Rückkehr in das staatliche Leben an ihn stellte,
    riß ihn nicht heraus; im Gegenteil, er schloß sich in-
    niger an die Seinen an, die seiner Treue mit Treue
    lohnten, und während das ganze Preußen erschüttert
    hin und her schwankte, wurde Gröben von keinem
    anderen Sturm getroffen als von einem wirklichen
    Orkan, der denn auch die mehrhundertjährige, vor
    dem Herrenhause

Weitere Kostenlose Bücher