Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Trier, im schwiegerelterlichen Hause, bis er
1822 unter freudiger Zustimmung seiner jungen
Frau, die die landwirtschaftliche Passion mit ihm teil-
te, nach Gröben hin übersiedelte, das wieder an die
Schlabrendorfs zu bringen – ein von Jugend auf von
ihm gehegter Wunsch – ihm um ebendiese Zeit ge-
lungen war.
Die Verhältnisse waren ihm bei diesem Wiederankauf
ebenso günstig gewesen, als sie sich für den Vorbe-
sitzer und seine Nachkommen einundzwanzig Jahre
lang eminent ungünstig erwiesen hatten. Alle Leiden
und Nachwehen einer langen Kriegs- und Invasions-
epoche waren zu tragen gewesen und hatten zu sol-
cher Verschuldung des Gutes geführt, daß der nun-
mehrige Kaufpreis desselben in nichts weiterem be-
stand als in Übernahme der darauf eingetragenen
Hypotheken, die sich freilich, wie gesagt werden
muß, hoch genug beliefen.
Es gab nun also wieder eine wirkliche Gröbener
Gutsherrschaft, und zwar eine, wie man sie lange
nicht im Dorfe gekannt hatte, richtiger noch, wie sie
nie dagewesen war. Ordnung und Sitte waren mit
dem jungen Paare gekommen, auch Beistand in Rat
und Tat, und soweit es in Menschenhände gegeben
ist, dem Unglück und dem Unrecht zu wehren, so-
weit wurd ihm gewehrt.
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Aber nicht nur die Dorfgemeinde durfte sich der neu-
en Gutsherrschaft freuen, die neue Gutsherrschaft
wußte mit der Erfüllung ihrer nächstliegenden Pflich-
ten auch Schönheitssinn und Sinn für das Allgemeine
zu verbinden und erreichte dadurch, daß das Gröbe-
ner Herrenhaus auf drei Jahrzehnte hin ein Sammel-
und Mittelpunkt geistiger Interessen wurde. Von dem
Leben der großen Welt hielt man sich geflissentlich
fern, aber was sich darin hervortat, insonderheit als
ein »erst Werdendes« hervortat, das empfing entwe-
der aufmunternde Zustimmung oder wohl auch Pfle-
ge, solang es solcher Pflege bedurfte. Junge Kräfte
wurden unterstützt, Bilder und Büsten in Auftrag
gegeben, Reisestipendien erwirkt oder persönlich
bewilligt, und wie die Türen allezeit offenstanden, so
standen auch die Herzen auf in dem immer sonnigen
und immer gastlichen Hause. Diese Gastlichkeit ent-
hielt sich jedes Luxus, ja verschmähte denselben,
aber so schlicht sie sich gab, so grenzenlos gab sie
sich auch. Und lag schon hierin ein Zauber, so lag er
viel, viel mehr noch in der einfach distinguierten Le-
bensauffassung, die hier still und ungesucht um die
Herzen warb, und in dem Ton, der der Ausdruck die-
ser Lebensauffassung war. Es war ganz der gute Ton
jener Zeit (einer über -, aber freilich auch unterschätzten Epoche), ein Ton, der das heutzutage so
sehr hervortretende spezialistisch Einseitige vermied
und umgekehrt in dem Geltenlassen andrer Beschäf-
tigungen und Richtungen die Pflicht und Aufgabe der
Gesellschaft erkannte. Nichts war ausgeschlossen,
und Scherz und Anekdote – selbst wenn sich etwas
von dem Übermute der damaligen Witzweise darin
spiegelte – hatten so gut ein Haus- und Tischrecht
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wie die Fragen über Kunst und Wissenschaft oder die
speziell auch in dem Gröbener Kreise mit Vorliebe
gepflegten altpreußischen Thematas von Armee und
Verwaltung, von Staat und Kirche.
Sogar Landwirtschaftliches interessierte lebhaft, am
meisten freilich den Grafen selbst, der, im Gegensatz
zu seinem dilettantisch und skurril herumexperimen-
tierenden Vater, eine große theoretische Kenntnis
und alsbald auch ein reiches Erfahrungswissen inne-
hatte, das ihn zu den mannigfachsten Reformen,
Einrichtungen und Ankäufen gleichmäßig befähigte.
Bei dieser großen Tüchtigkeit und Umsicht in prakti-
schen Dingen konnt es nicht ausbleiben, daß ihm
mehr als einmal, und zwar jedesmal aus Regierungs-
kreisen her, der Antrag gemacht wurde, sich seiner
Gröbener Einsamkeit begeben und in die große Welt,
in der er in seiner Jugend gelebt und mit der er die
Fühlung nie verloren hatte, wieder eintreten zu wol-
len. Aber er lehnte jedes dahin zielende Wort mit der
Erklärung ab: » Ich bin für Gröben bestimmt .«
Auch das Jahr 1848, das verdoppelt die Forderung
einer Rückkehr in das staatliche Leben an ihn stellte,
riß ihn nicht heraus; im Gegenteil, er schloß sich in-
niger an die Seinen an, die seiner Treue mit Treue
lohnten, und während das ganze Preußen erschüttert
hin und her schwankte, wurde Gröben von keinem
anderen Sturm getroffen als von einem wirklichen
Orkan, der denn auch die mehrhundertjährige, vor
dem Herrenhause
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