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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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sie
    – wie zur Erprobung ihrer pädagogischen Talente –
    Kinder, namentlich junge Mädchen, ins Haus nahm.
    Es waren dies Töchter aus achtbaren, aber einfach
    bürgerlichen Häusern, und ihr Erziehungstalent er-
    wies sich in nichts so sehr als in der Art und Weise,
    wie sie diese jungen Mädchen an allem, was das
    Haus gesellschaftlich gewährte, teilnehmen ließ und
    sie doch zugleich für die Lebensstellungen erzog, in
    die sie, früher oder später, wieder zurücktreten muß-
    ten. Es gelang ihr, ihren Pfleglingen eine Sicherheit
    im Auftreten und in den Formen zu geben, ohne daß
    infolge davon der gefährliche, weil so selten zu Vor-
    teil und Segen führende Wunsch in ihnen aufgekeimt
    wäre, die bescheidenere Geburtsstellung mit einer
    anspruchsvolleren zu vertauschen. All das, ohne je-
    mals durch Hervorkehrung dessen, was man Stan-
    desvorurteile nennt, auch nur einen Augenblick ver-
    letzt zu haben. Es war ihr eben einfach die Gabe ge-
    worden, in Liebe den Glauben zu wecken: ›In allem
    lebt Gottes Wille, und wie es ist, ist es am besten.‹«
    So die Mitteilungen solcher, die die Gräfin noch per-
    sönlich gekannt haben. Aber eines vermiß ich darin:
    ein Hervorheben dessen, was ihr, ich will nicht sagen
    ausschließlich oder auch nur vorzugsweise, aber
    doch jedenfalls mitwirkend , ihren Einfluß sicherte.

    2806
    Dies war ihr Katholizismus . Zunächst ihr Katholizismus als einfache Tatsache.
    Wer ein Auge für diese Dinge hat, dem kann es nicht
    entgehen, daß der Katholizismus, all seiner vielleicht
    berechtigten Klagen und Anklagen unerachtet, eine
    nach mehr als einer Seite hin bevorzugte Stellung
    unter uns einnimmt, und zwar am entschiedensten in
    dem Gesellschaftsbruchteile, der sich die »Gesellschaft« nennt. Es geht dies so weit, daß Leute, die
    sonst nichts bedeuten, einfach dadurch ein gewisses
    Ansehen gewinnen, daß sie Katholiken sind. Wie ge-
    ring ihre sonstige Stellung sein mag, sie werden ei-
    ner Art Religionsaristokratie zugerechnet, einer Ge-
    nossenschaft, die Vorrechte hat und von der es nicht
    bloß feststeht, daß sie gewisse Dinge besser kennt
    und weiß als wir, sondern der es, infolge dieses Bes-
    serwissens, auch zukommt, in ebendiesen Dingen
    den Ton anzugeben. Also zu herrschen.
    Unserer Gräfin Herrschaft aber verdoppelte sich und
    wurd erst recht eigentlich, was sie war, aus der weit
    über die bloße Tatsächlichkeit ihres Katholizismus
    hinausgehenden schönen und klugen Betätigung
    desselben. Sie war eine strenge Katholikin für sich , in der Berührung mit der Außenwelt jedoch, insonderheit mit der ihr in gewissem Sinne wenigstens
    unterstellten Gemeinde, betonte sie stets nur das,
    was beiden Konfessionen das Gemeinschaftliche war,
    und übte die hohe Kunst einer Religionsäußerung,
    die der eignen Überzeugung nichts vergab und die
    der andern nicht kränkte. Sie hatte dies am sächsi-
    schen Hofe gelernt und zeigte sich beflissen, diesem 2807
    Vorbilde schöner Toleranz in allen Stücken nachzu-
    ahmen. Es geschah dies in einer ganzen Reihe von
    Guttaten und kleinen Stiftungen, am erkennbarsten
    in dem einem Neubau gleichkommenden Umbau der
    lutherischen Gröbener Kirche, den sie, von der Vor-
    ahnung erfüllt, daß sie das Ende desselben nicht
    mehr erleben würde, durch Kapitalsdeponierungen
    sicherstellte.
    Den 2. September 1858 starb sie, sechzig Jahr alt,
    und wurde, den dritten Tag danach, ihrem ausdrück-
    lichen Willen gemäß, auf dem protestantischen
    Kirchhofe der Gemeinde beigesetzt.
    Gröben selbst aber fiel an die Schwägerin der Gräfin, an die noch lebende Schwester des bereits 1851 verstorbenen Grafen Leo.

    Frau Johanna von Scharnhorst,
    geborne Gräfin von Schlabrendorf
    Diese noch lebende Schwester des Grafen Leo war
    Frau Johanna von Scharnhorst, geborne Gräfin von
    Schlabrendorf. Sie trat ihr Erbe (Gut Gröben) an,
    und da sie, wie weiterhin erzählt werden wird, einige
    Jahrzehnte vorher auch in den Besitz von Siethen
    gekommen war, so waren jetzt beide alt-
    Schlabrendorfschen Güter wieder in Händen einer
    geborenen Schlabrendorf vereinigt. Freilich nur auf
    kurze Zeit. Ein Jahr nur, von 1858 bis 1859. Eh ich aber von diesem Wiederaufgeben des Gesamtbesit-2808
    zes spreche, sprech ich, zurückgreifend, über den
    Lebensgang der Frau von Scharnhorst bis zu jenem
    Zeitpunkte (1858), wo Gröben ihr zufiel.
    Comtesse Johanna wurde, wie schon hervorgehoben,
    am 22. April 1803 aus der zweiten Ehe des Grafen
    Heinrich von

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