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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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Schlabrendorf, die derselbe mit einem
    Fräulein von Mecklenburg geschlossen hatte, gebo-
    ren. Es scheint, die Mutter starb früh und überließ
    Erziehung und Fürsorge dem exzentrischen Vater,
    der sich dieser Aufgabe denn auch auf seine Weise,
    das heißt widerspruchsvoll, unterzog. Er liebte die
    Kleine schwärmerisch und duldete beispielsweise
    nicht, daß sie von jemand anderem als von ihm oder
    einer ihr beigegebenen Bonne berührt wurde. Sollte
    sie spazierenfahren, so stand er bereit, um ihr kava-
    liermäßig die Hand zu reichen oder sie, solange sie
    noch klein war, in den Wagen hineinzuheben. Aber
    diese Galanterien erfuhren doch auch wieder Aus-
    nahmen und waren jedenfalls von nicht allzu langer
    Dauer. Als die Reisepassion über ihn kam, schwand
    ihm die Lust, sich um das Comteßchen noch weiter
    zu kümmern, und er begnügte sich von nun an da-
    mit, sie nach hierhin und dorthin in allerlei Pensionen zu geben, am liebsten in ländliche Pfarrhäuser, in
    denen oft die wunderlichsten Zustände herrschten
    und Albernheiten und Unpassendheiten um den Vor-
    rang stritten. Aber all dies berührte sie wenig, und
    glücklichere Tage kamen, als der alte Graf mehr und
    mehr zurücktrat und die mütterliche Verwandtschaft
    der immer reizender werdenden Comtesse sich die-
    ser anzunehmen begann. In Sommerzeit war sie mit
    in den Ostseebädern, am häufigsten in Doberan, und

    2809
    in einer Vier-Schimmel-Equipage ging es dann über
    die Felder hin oder auch wohl bis an den Heiligen-
    damm, wo zweierlei gleich Wichtiges und gleich Gro-
    ßes zu sehen war: der Hof und das Meer.
    Aber dies alles liegt unbestimmt zurück, und klarere
    Bilder treten uns aus dem Jugendleben der Gräfin
    erst von dem Tag an entgegen, wo sich die gesamte
    Familie, Geschwister und Vetterschaft, in Trier zu-
    sammenfand, um im Hause des alten General von
    Ryssel die Vermählung zwischen Emilie von Ryssel
    und Graf Leo von Schlabrendorf zu feiern. Unter den
    Schlabrendorfs, die mit erschienen waren, war auch
    Comtesse Johanna, damals erst siebzehn Jahr alt,
    und der alte Spruch sollte sich bei dieser Gelegenheit
    aufs neue bewahrheiten: »auf jeder Hochzeit eine
    neue Verlobung«. Ihr Tischnachbar war August von
    Scharnhorst, Rittmeister in dem damals zu Trier in
    Garnison stehenden 8. Ulanenregiment und ungefähr
    um dieselbe Zeit, in der Graf Leo das schwiegerelter-
    liche Haus in Trier aufgab, um das kurz zuvor er-
    standene Gröben zu beziehen, erfolgte die Verlobung
    und bald danach auch die Verheiratung des tisch-
    nachbarlichen Paares: des Rittmeisters August von
    Scharnhorst und der Comtesse Johanna von
    Schlabrendorf.
    Aber auch die Tage dieses Paares waren in Trier ge-zählt. Wie Gröben, so geriet auch Siethen, das seine
    Besitzer innerhalb der letzten dreißig Jahre mehrfach
    gewechselt hatte, mal wieder zu Verkauf, und Graf
    Leopold, als er davon hörte, fragte sofort bei
    Schwester und Schwager an, »ob sie vielleicht ge-

    2810
    neigt seien, das plötzlich wieder frei gewordene
    Siethen käuflich an sich zu bringen«. Unter gewöhn-
    lichen Verhältnissen würde die Frage wahrscheinlich
    mit einem »Nein« beantwortet oder noch viel wahr-
    scheinlicher gar nicht gestellt worden sein, in Trier
    aber lagen die Dinge bereits außerhalb des Gewöhn-
    lichen, indem August von Scharnhorst durch einen
    Sturz vom Pferde sich sehr erheblich, und zwar bis
    zur Dienstunfähigkeit, verletzt, auch infolge davon
    sein Entlassungsgesuch bereits eingereicht hatte. So
    wurde denn freudig zugestimmt und 1825 der An-
    kauf von Siethen bewerkstelligt, das nun – so we-
    nigstens ging der Plan – für das junge Scharn-
    horstsche Paar eine gleich glückliche Heimstätte
    werden sollte, wie das Schwesterdorf Gröben es für
    das Schlabrendorfsche bereits war. Aber dieser Plan
    scheiterte. Des um diese Zeit bereits als Major aus
    dem Dienste geschiedenen Rittmeisters von Scharn-
    horst gesundheitliche Störungen waren größer als
    geglaubt, er kränkelte viel, und schon ein halbes
    Jahr nach Übernahme des Gutes starb er in Berlin
    (Oktober 1826), wohin er sich in ärztliche Behand-
    lung begeben, und ließ in Siethen ein kaum einjähri-
    ges Töchterchen und eine dreiundzwanzigjährige
    Witwe zurück.
    Ein hartes Los war dieser gefallen. Und doch hatte
    sie dreierlei, was ihr das Leben allmählich wieder
    lebenswert machte: das Kind, die Schwägerin drüben
    in Gröben und als drittes den Wetteifer mit dieser in
    allen guten Werken. Im

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