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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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in Bayern, in Tagen, wo mir das Hotelessen auch
    so recht zuwider war. Es traf sich, daß ich zu selber
    Zeit von einem reichen Patrizier, einem Enthusiasten
    für Bilder und Archäologisches, zum Frühstück gela-
    den wurde, nahm denn auch an und fand bei mei-
    nem Erscheinen schon ein paar andere Gäste vor,

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    mit denen ich mich auch bald danach in ein mit Bir-
    kenreisern dekoriertes Eßzimmer geführt sah. Die
    Fenster standen auf, und alles um uns her war Appe-
    titlichkeit und Frische. Und nun denken Sie sich, was
    gab es da? Auf einem langen eichenen Tisch lag ein
    am Spieß gebratenes junges Schwein, aufgebrochen
    und mit kleinen Thymiansträußen ausgesteckt, was
    ganz reizend aussah. Wichtiger aber waren lange
    schmale Spitztüten, die daneben steckten und in
    denen sich Pfeffer und Salz befand. Nun wurde je-
    dem von uns ein Messer gereicht, das eine ganz ei-
    gentümliche Form hatte, beinahe sichelförmig, und
    so bewaffnet, gingen wir in einem Gänsereihen um
    den Tisch herum, um, wie Jäger, das Revier abzusu-
    chen. Sie werden sich erinnern, daß, wenn man ein
    Gänsegerüst abknaupelt, es kleine Höhlen und Win-
    kel gibt, wo die eigentlichen Delikatessen liegen, und
    diese sich halb verbergenden Stellen auch an dem
    jungen Schweine ausfindig zu machen und dabei
    dem andern zuvorzukommen, das war nun die Auf-
    gabe. Natürlich wäre ich, als ein Neuling und Unein-
    geweihter, jämmerlich damit gescheitert, wenn nicht
    die Liebenswürdigkeit des Wirts sich meiner erbarmt
    hätte. Da ist mir denn erst klargeworden, was
    Schweinebraten heißt. Und dazu die Tüten und die
    Thymiansträuße und das Kulmbacher Bier (denn es
    war in der Kulmbacher Gegend), das immer frisch
    gereicht wurde – ja, hören Sie, da kann der ›Halbe
    Mond‹ in Eisenach oder das ›Zehnpfund-Hotel‹ in
    Thale nicht gegen an, und Sie haben schon ganz
    recht, wenn Sie sagen, ›nicht bloß das Gesunde,
    sondern recht eigentlich auch das Feine, das hat man
    bloß bei den Naturgerichten‹. Und wirklich, die was

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    davon verstehen, die haben auch immer so gedacht,
    obenan Friedrich Wilhelm I., der durchaus für Weiß-
    kohl und Hammelfleisch war. Kaiser Wilhelm soll
    auch den Tag gesegnet haben, wo er Brühkartoffeln
    kennenlernte, vom seligen Goethe gar nicht erst zu
    reden. Sie wissen, daß ich die Teltower Rüben mei-
    ne.«
    Das war so ein in Worten gemaltes Gentzsches Bild,
    und wenn ich auch für den Wortlaut der Geschichte
    nicht mehr einstehen kann, so weiß ich doch, die
    Hauptsache richtig wiedergegeben zu haben.
    Und so verliefen Gentzsche Geschichten überhaupt,
    nur daß die allerechtesten doch noch einen Beisatz
    von feinem Spott und sozusagen liebevoller Ausma-
    lung menschlicher Schwächen zu haben pflegten.
    Eine derartig eulenspiegelsch gefärbte Geschichte
    möchte ich, als zweite Gentziade, hier noch erzählen,
    und zwar, wie ich zur Beruhigung der Leser gleich
    hinzusetzen will, auch als letzte.
    »... Nun denn, der sogenannte Marine-Krause (rei-
    zender Lebemann und tüchtiger Künstler) war auch
    Lehrer an der Akademie. Kunsthändler Rudolf Lepke
    kaufte viel von ihm. Eines Tages hielt Krause wieder
    seine Klasse und ging eben von Platz zu Platz, als ein
    allen älteren Malern und natürlich auch allen Akade-
    mieschülern wohlbekannter Diener Lepkes eintrat,
    ein Bild unterm Arm. Krause sah sofort, daß es ein
    Bild von ihm selber war.
    ›Nun, Zühlke, was gibt es?‹

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    ›Ja, Herr Professor...‹ Und Zühlke sah verlegen auf
    die jungen Akademiker.
    ›Na, man raus.‹
    ›Ja, Herr Professor, Herr Lepke schickt Ihnen das
    Bild wieder... Sie hätten alle wieder rote Jacken an...
    Und rote Jacken, die wollte keiner mehr, die hätten
    die Leute jetzt über... Er sagte, Sie müßten ihnen
    andere Jacken anziehen, Herr Professor; anders ging
    es nicht.‹
    Krause verfärbte sich und rang anscheinend nach
    Luft. Endlich hatte er sich seine Rolle zurechtgelegt
    und fuhr nun los, indem er den Berserker ganz
    kunstgerecht spielte. ›Zühlke, raus. Was soll das
    heißen? Lepke ist verrückt geworden. Raus, sag ich.‹
    Und während Zühlke ging, tobte Krause vor seinen
    Schülern immer noch weiter und stürzte schließlich
    dem armen Zühlke nach, vor sich hin brummend,
    daß er dem Kerl noch ein paar ordentliche Redensar-
    ten an den Kopf schmeißen müsse. Dabei warf er die
    Klassentür forsch zu und sah nun auch wirklich den
    Korridor hinunter. Da ging Zühlke noch, das Bild un-
    term

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