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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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eine so
    bestimmte Vorstellung verknüpfen wie mit W. Gentz.
    Er ist Kairo, Jerusalem, Konstantinopel, er ist Skla-
    venkarawane, Harem, Judenkirchhof und dazwischen
    Wüste mit Tempeltrümmern und Pyramiden und Fluß

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    und See mit Pelikanen und Flamingos. Die Bilder, die
    davon abweichen, liegen weit zurück. Der Orient ist
    seine Welt und der Turban nicht bloß das Kleid, das
    ihn kleidet, sondern auch das Zeichen, darin er siegt.
    Ernst, solide, gewissenhaft wie der ganze Mann ist
    auch das, was er schafft; ein feiner Humor, der sein
    Leben durchdringt, adelt auch seine Kunst und hei-
    melt uns daraus an. Er gehört zu den nicht vielen, an
    denen man sich ermutigen darf, und wenn ich im
    Streit mit den Verurteilern unserer Zeit aufgefordert
    werde, Namen zu nennen und den Beweis zu führen
    für meine günstigere Meinung, so nenne ich auch
    Wilhelm Gentz und freue mich der Landsmannschaft
    und daß ich Wand an Wand mit ihm geboren wurde.

    Diese biographische Skizze wurde 1889 auf 1890
    geschrieben. W. Gentz war damals siebenundsechzig
    Jahr, und seine feste und erprobte Gesundheit schien
    ihm noch eine Reihe von Jahren zu versprechen. Es
    war aber anders beschlossen. Genau um die vorge-
    nannte Zeit (Winter 89 und 90) begab er sich mit
    Frau und Sohn nach Tunis und Tripolis, wo er sich,
    mit jugendlichem Feuereifer, rastloser und ange-
    strengtester Tätigkeit hingab. Diese rastlose Tätig-
    keit und mehr noch der plötzliche Wechsel von Son-
    nenglut und Kälte legten den Keim zu einem quälen-
    den Leiden. Mit rührender Geduld ertrug er die Be-
    schwerden der Heimfahrt, ohne mit einem Wort zu
    klagen. Als Sterbender traf er wieder in Berlin ein
    und entschlief am 23. August 1890.

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    1. W. Gentz scheint hiernach davon auszugehen,
    daß beiden berühmten Malern (Rembrandt
    und Menzel) der Stil abgesprochen worden
    sei, was möglich, mir aber ganz neu ist.

    12. »Civibus aevi futuri«

    Es trägt Verstand und rechter Sinn
    Mit wenig Kunst sich selber vor.
    »Faust«
    Stoß deinen Scheit drei Spannen in den Sand,
    Gesteine siehst du aus dem Schnitte ragen,
    Es ist, als habe hier, am Torfmoor hin,
    Natur die Trödelbude aufgeschlagen.
    Annette von Droste-Hülshoff

    Unter den wenigstens durch Ausdehnung hervorra-
    genden Gebäuden der Stadt nimmt das Gymnasium
    den ersten Rang ein. Es wurde nach dem Brande
    von 1787 auf einem Platzviereck errichtet, auf dem
    wenigstens drei Kölner Dome hätten stehen können,
    und empfing die Inschrift, die ich diesem Kapitel
    vorgesetzt habe: »Civibus aevi futuri«.

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    Die Ruppiner lateinische Schule zählt zu den ältesten
    der Mark, und 1865 konnte bereits das fünfhundert-
    jährige Bestehen dieser Alma mater gefeiert werden.
    Festgedichte von erheblicher Strophenanzahl er-
    schienen, die das Wachsen der Schule von Jahrhun-
    dert zu Jahrhundert begleiteten und dem Ruppiner
    Bürger, insonderheit dem des Reformationszeitalters,
    das ehrende Zeugnis ausstellten, »daß er durch Bei-
    fall, Lob und reiche Spenden die herzudrängenden
    Jünger des Wissens tatenstark gemacht« und das
    Ansehen der Schule durch ganz Brandenburg hin
    begründet habe:
    »Der Schule Ruf hallt durch die ganze Mark.«
    So war es im sechzehnten Jahrhundert, und so war
    es auch im neunzehnten noch. Nur die Beschaffen-
    heit des Rufs, »der immer noch durch die Marken
    hallte«, war inzwischen ein anderer geworden. Wohl
    war das Gymnasium eine Wissensquelle geblieben,
    aber was wenigstens in den Tagen meiner eigenen
    Jugend ihren besonderen Ruf begründete, war doch
    vorwiegend der Umstand, daß diese Ruppiner Wissens quelle zugleich eine besondere Trostes quelle geworden war. Hier hatte der »Wilde« sein Refugium, hier fühlte der an der bekannten Klippe Geschei-
    terte wieder Hoffnung und sah das Rettungsboot
    vom Lande stoßen. Mancher schon dem Untergehen
    Nahe, hier ist er durch liebevoll zugeworfene
    Schwimmgürtel sich selbst und dem Staat erhalten
    geblieben. Und »Gott sei Dank!«, so füg ich in mei-
    ner Vorliebe für alle diese Anstalten »von der milde-
    ren Observanz« hinzu. Sie sind meines Erachtens ein

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    notwendiger Ausgleich für den andernorts geübten
    Rigorismus. Denn ich bekämpfe den Satz und werd
    ihn bis zum letzten Lebenshauche bekämpfen, daß
    der Normalabiturient oder der durch sieben Examina
    gegangene Patentpreuße die Blüte der Menschheit
    repräsentiere. Das Beste, was wir haben, ist ohne
    diese vorgängigen Proben geleistet worden. Und so
    seid mir

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