Wanderungen durch die Mark Brandenburg
Arm.
›Zühlke!‹
›Herr Professor...‹
›Zühlke, kommen Sie noch mal her. Wissen Sie was,
stellen Sie das Bild da hinter die Tür, aber so, daß
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die Jungens es nicht sehen, wenn sie rausstürzen,
und sagen Sie Lepken, ich würde den Kerls andere
Jacken anziehen. Und grüßen Sie Lepken. Er ist doch
wohl?‹
›Ganz wohl, Herr Professor.‹
›Na, denn is es gut.‹
Und sofort die Wutmiene wieder aufsetzend, trat er
in den Klassensaal zurück, um noch einiges über den
unverschämten Kerl zu sagen.«
So Gentz in seiner zweiten, echtesten Geschichte,
die mir, neben anderem, auch dadurch unvergeßlich
geblieben ist, daß er (wir sprachen gerade von einem
durch »Schneidigkeit« sich auszeichnenden Künstler)
schmunzelnd hinzusetzte: »Und sehen Sie, so ist der nu gerade auch.« Und wer wollte es bezweifeln, daß
er zu solchem Ausspruch ein Recht hatte! Gibt es
doch nur ganz wenig Menschen, die frei von solcher
Komödianterei sind; andere, die sich wohl frei davon
machen möchten, können's nicht, weil sie's von Ge-
schäfts wegen nicht dürfen.
Verbleibt uns, zum Schluß, noch ein Wort über
W. Gentz den Maler . Auch hier wieder können wir seinen eigenen Aufzeichnungen folgen.
»... Ich bin der Ansicht«, so schreibt er, »daß die
Kunst modern, das heißt zeitgemäß, sein müsse. Ich
verehre die alten Künstler im höchsten Grade, ja,
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finde, daß sie in ihrem Kreise so Vollendetes geleis-
tet, daß es nicht übertroffen werden kann. Ich nenne
nur die Sixtinische Madonna und die Gestalten des
Phidias. Die moderne Kunst muß also andere Wege
einschlagen oder andere Gebiete kultivieren, um
damit konkurrieren zu können. Naturalismus – Rea-
lismus. Zum Beispiel ein Pferd wie das des ersten
Napoleon auf dem winterlichen Rückzuge (von Meis-
sonier) hat nie ein alter Maler so gut gemalt; gemüt-
volle und humoristische Genreszenen wie Knaus e-
bensowenig. Das Studium alter Kunst halte ich aber
für gut, vielleicht für notwendig. Es gehört schon
große Kraft dazu, die Alten so nachzuahmen, daß
diese Nachahmungen daneben bestehen können.
(Lenbach.) Meiner Neigung nach bin ich Idealist, und
doch hat mich meine Naturbegabung nicht dazu be-
fähigt, ideale, phantastische Gestalten und Seelen-
schilderungen hervorzubringen. Ich habe mich des-
halb auf die pittoreske Seite der Natur beschränken
müssen. Ich bin mehr Kolorist. Der Farbenzauber übt
den größten Reiz auf mich aus, besonders der Tizi-
ans, der wohl auf diesem Gebiet das Vollendetste
schuf. Den Stil halte ich in der Kunst für notwendig,
Stil dahin aufgefaßt, daß er das Triviale, Gemeine,
Alltägliche von der Kunst fernzuhalten, aus dem Dar-
zustellenden auszuschließen habe. Stil besitzen
demnach auch Rembrandt und Menzel.1) Die Kunst
soll nach Vollendung streben, soll ehrliche, gründli-
che Arbeit verrichten, und soweit dies die modernen
›Impressionisten‹ tun, schließe ich auch diese Rich-
tung innerhalb der Kunst (Fr. von Uhde, Max Klinger)
von der Kunst selbst nicht aus. Leider aber wenden
sich auch viele junge Künstler dieser Richtung zu,
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die, bei unleugbarem Talent, doch nicht Energie ge-
nug haben, gründlich zu arbeiten, und zunächst nur
auffallen wollen, was durch den Impressionismus
und Intentionismus, dieser äußersten Linken, aller-
dings möglich ist.
Es ist natürlich, daß ein Künstler das Naheliegende,
das Heimatliche, das Vaterländische vollendeter als
das Fremde zu schildern vermag. Sollte aber nicht,
wie die Wissenschaft, so auch die Kunst dazu be-
rechtigt sein, den ganzen Erdball in ihr Gebiet zu
ziehen? Würde jede Nation für sich nur ihr Nationales
in Betracht ziehen, so würde zwar dadurch auch der
Erdball zur Darstellung gelangen, es müßte dann
aber, wenn man sich vor Erstarrung und Enge be-
wahren wollte, doch immer wieder ein großartiger
Kunstaustausch stattfinden, der, in der tatsächlichen Anerkennung einer Gleich- oder Mitberechtigung,
dem Wesen des Nationalismus doch wieder wider-
sprechen würde.«
So W. Gentz über seine Kunstrichtung, Bemerkun-
gen, denen ich, abschließend, ein paar Worte hinzu-
fügen möchte. So gewiß Paris, seit Horace Vernets
Tagen und vielleicht früher schon, reich an Orient-
malern ist, so gewiß ist W. Gentz unter uns ein Uni-
kum geblieben, derart, daß wir vielleicht keinen
Künstler haben, selbst große Meister wie Menzel und
Knaus nicht ausgeschlossen, mit denen wir
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