Wanderungen durch die Mark Brandenburg
trotz
Zuggerassel und Lokomotivenpfiff.
Ich passierte die Straßen, und überall bot sich das-
selbe Bild: die Kirche so trist wie die Stadt und die
Stadt so trist wie die Kirche. Hier und dort spreizte
sich eine Toilette, das einzige, woran sich die Nähe
der Hauptstadt erkennen ließ; aber dieser Flitter ließ
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die Stadt nur um so farbloser und die farblose Stadt
hinwiederum den Flitter nur um so prahlerischer er-
scheinen.
Menschen, Häuser, Kirche, sie gaben nichts heraus!
Und doch eine Stelle hat auch der stillste, der ver-schwiegenste Ort, wo er zu dem Fremden sprechen
muß , und erst wenn auch hier alles schweigt, darf man mit einiger Gewißheit vom Tode der Lebendigen
sprechen.
Ich ging also hinaus. Links vorm Tore dehnt sich der
Friedhof, ein ummauertes Feld. Es war ein Begräb-
nisplatz vor fünfzig Jahren und länger; dann gab
man ihn auf, ließ die Stätte brachliegen und die Hü-
gel verfallen. Endlich, als alles ein Grasplatz gewor-
den, zog ein neues Geschlecht hier wieder ein. So ist
der Friedhof ein ganz alter und ein ganz neuer. Der
Interimsfriedhof liegt an anderer Stelle.
Nachmittagssonnenschein flimmerte um die Gräber.
Auf den frisch aufgeschütteten Hügeln lagen halb-
verwelkte Kränze, die Blumen, die vorherrschten,
waren Schwertlilien, und Akazienduft von umherste-
henden Bäumen zog drüber hin. Das war anheimelnd
genug. Aber nüchtern lagen die Steine, deutungslos
standen die Kreuze; Nam an Name, Spruch an
Spruch, nichts, was zu Herzen ging oder die Phanta-
sie bewegte. Tot die Gräber wie drinnen die Häuser.
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Und so wandt ich mich denn unwirsch in die Stadt
zurück, um es drinnen unter den Menschen noch
einmal zu versuchen.
Aber wohin? Man wies mir einen Metzgerladen, »dort
geb es den besten Kaffee«. Wohlan; ich akzeptierte.
Wenn man gar nichts mehr anzufangen weiß, ist das
Klappern mit der Tasse noch immer das geratenste.
Des ersten Eindrucks wurd ich nicht froh. An der La-
dentüre links und rechts blitzten die herkömmlichen
zwei Messinghaken, und an einem dieser Haken hing
ein Hammel. Ich setzte mich auf eine nebenstehende
Bank und bestellte, was mir als »Spezialität« ge-
rühmt worden war. Unter einer schattengebenden
Pappel stand all die Zeit über der wohlwollend und
distinguiert dreinschauende Besitzer von Haus und
Hof, in dem sich mehr und mehr ein gewisses Unter-
haltungsbedürfnis zu regen schien. Auch in mir. Aber
ich konnte nicht über die Frage weg, ob ich ihn Wirt
oder Meister anreden solle. Zu meinem Glücke wußt
ich damals noch nichts von seiner » Majors schaft«, ich wäre sonst in der Etiquettenfrage steckengeblieben. Endlich entschied ich mich für Wirt.
»Eine schöne reine Luft, Herr Wirt.«
Dies war nun eigentlich nicht der Fall, denn der
Hammel hing viel zu nah, als daß ich wahrheitsge-
mäß eine solche Versicherung abgeben durfte. Der
Angeredete jedoch schien es aufrichtig zu nehmen
und konnt es auch vom unverwöhnten Standpunkte
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seines Metiers aus. Er erwiderte mir deshalb freund-
lich:
»Eine schöne, reine Luft. Trebbin hat eine gute Luft.«
Dieser Lokalpatriotismus, was sich auch gegen das
Tatsächliche sagen lassen mochte, tat mir wohl, und
zwar um so wohler, als ich in betreff der wenigstens
damals noch auf meinem Programme stehenden
»Nutheburgen« allerlei Hoffnung an einen so lokal-
patriotischen Ausspruch knüpfte. »Das ist dein
Mann«, dacht ich. Und wirklich, was in Saarmund
mißglückt war, hier konnt es gelingen. Ich fuhr also
fort:
»Sie haben ja wohl eine alte Burg hier? Burg Treb-
bin. Die vierte der Nutheburgen.«
»Nicht daß ich wüßte. Das muß vor meiner Zeit ge-
wesen sein.«
»Gewiß. 700 Jahre... Und kein Burgwall? kein unter-
irdischer Gang? Keine Stelle, die hohl klingt?«
»Nicht daß ich wüßte. Mit Ausnahme der Schützen-
gilde von 1577...«
»Und kein Denkmal? keine Mumie?«
»Nicht daß ich wüßte. Mit Ausnahme der...«
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Es wurde mir immer klarer, auf was er mit endlich
doch siegreicher Beharrlichkeit hinauswollte. Ich ließ
also den Strom seiner Rede fließen und warf erst
ganz zuletzt und anscheinend ohne Zusammenhang
die Frage dazwischen, »ob er jemals von dem Maler
Wilhelm Hensel oder doch von dessen Vater, dem
alten Pastor Hensel, gehört habe«.
Ein Kopfschütteln war die Antwort und nur mit Mühe
wurde festgestellt, daß der alte Pastor Hensel
höchstwahrscheinlich schon vor seiner, des Wirts
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