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Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Titel: Wanderungen durch die Mark Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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durch Schelmereien
    und übermütige Witzworte (der alte Humboldt sei für
    den schönen Karlowa gehalten worden) die Bedeu-
    tung dieser Sammlung hinwegspötteln wollen. Aber
    sehr mit Unrecht. Alle diese Portraitköpfe sind nicht Phantasieschöpfungen, laufen auch nicht auf ein bequemes »corriger la nature« hinaus; sie verraten
    vielmehr, abgesehen von einer meisterhaften, unse-
    rem Hensel ganz eigentümlichen Technik, vor allem
    auch eine eminente Begabung für das Charakteristi-
    sche. Sonderbarerweise haben wir uns neuerdings
    daran gewöhnt das Charakteristische vorwiegend im
    Häßlichen zu suchen, anstatt uns zuzugestehen, daß
    das Übertreiben nach der einen Seite hin, also das
    Karikieren und Transponieren en laid, doch mindes-
    tens ebenso verwerflich ist als ein Zuviel en beau.
    Richtig geübt, ist dies eben nichts anderes als der
    ideale Zug in der Kunst, der doch immer der siegreiche bleiben wird.

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    Die neueste Kunst- und Weltepoche, die »lichtbildne-
    rische«, ist dem Ruhme der Henselschen siebenund-
    vierzig Mappen allerdings nicht allzu günstig gewor-
    den. Aber wie immer dem sein möge, der größte Teil
    dieser Sammlung gibt doch Aufschluß über eine vor -
    lichtbildliche Zeit und wird über kurz oder lang einen
    Wert repräsentieren, ähnlich den Initialenbüchern
    des Mittelalters, aus denen oft Städte, Stände, Per-
    sönlichkeiten allein noch zu uns sprechen. Die Map-
    pen Wilhelm Hensels werden dann ein Bibliotheken-
    schatz sein trotz einem, eine Quelle voll historischer
    Bedeutung, und der Name des Predigersohns aus
    Trebbin wird zu neuen Ehren erblühen.

    Am 26. November 1861 war W. Hensel gestorben,
    und am 30. trugen ihn seine Freunde hinaus. Auf
    dem alten Dreifaltigkeitskirchhof, unmittelbar links
    vom Halleschen Tore, bereitete man ihm an der Seite
    Fanny Mendelssohns, deren Andenken er fast einen
    Kultus gewidmet hatte, die letzte Ruhestätte.
    Sein Grab zu besuchen, zugleich auch über die Daten
    seiner Geburt und seines Todes volle Gewißheit zu
    erlangen, bog ich, in diesen letzten Maitagen, in den
    dunklen, kastanienüberschatteten Gang ein, der bis
    an das Tor des alten Kirchhofes führt.
    »Ist hier der Mendelssohnsche Begräbnisplatz?«
    fragt ich.

    2899
    Ein zwölfjähriges, klug aussehendes Kind, an das ich
    die Frage gerichtet, nickte mir freundlich zu, setzte
    dann, als ob sich's von selbst verstünde, das ihrer
    Hut anvertraute Schwesterchen ins Gras nieder und
    sagte: »Kommen Sie nur. Es ist schwer zu finden.«
    Dabei lief sie vor mir her, ein Gewirr von Gängen und
    Steigen passierend und nur von Zeit zu Zeit sich um-
    sehend, ob ich auch folge. Wirklich, es war schwer zu
    finden, schwerer noch, als ich gedacht hatte, denn
    drei, vier Kirchhöfe schoben sich hier mit ihren aus-
    laufenden Spitzen so dicht und eng ineinander ein
    wie die Finger zweier gefalteten Hände.
    Schließlich hielten wir vor einer umgitterten Stelle
    von mäßiger Größe.
    »Hier das Mittelgrab ist das Grab von Felix Mendels-
    sohn Bartholdy.« Sie gab ihm seinen vollen Namen.
    Daß ich Wilhelm Hensels wegen gekommen sein
    könne, dieser Gedanke lag ihr fern. Und danach
    knicksend und meinem Danke sich entziehend, lief
    sie wieder im Zickzack bis zu der Stelle zurück, wo
    ich sie gefunden hatte.
    Die Mendelssohnsche Begräbnisstätte bildet einen
    Staat im Staat, einen Kirchhof auf dem Kirchhof. Es
    sind fünf Gräber, alle gleichmäßig von Efeu über-
    wachsen. Darunter ruhen, neben andern Mitgliedern
    der Familie, Felix Mendelssohn, Fanny Mendelssohn
    (die Gattin Wilhelm Hensels) und endlich Wilhelm
    Hensel selbst. Dem Hause, dem er im Leben anhing,
    ist er auch im Tode treu geblieben.

    2900
    Alle Arten von Immergrün fassen das Gitter ein: E-
    feu, Buchsbaum, Taxus, Lebensbaum, und eine hohe
    Zypresse überragt das Ganze. Die Gräber haben
    Marmorkreuze; nur zu Häupten Fanny Hensels steht
    ein zugeschrägter, schön polierter Granit, der, außer
    Namen und Datum, die Worte trägt:
    Gedanken gehn und Lieder
    Fort bis ins Himmelreich,
    Fort bis ins Himmelreich.
    Auch die Noten der Liedeskomposition sind in Gold-schrift beigefügt, was einen sehr eigentümlichen Ein-
    druck macht. Worin übrigens kein Tadel liegen soll.
    Im Gegenteil. Ich sehe nicht ein, weshalb nur Fah-
    nen und Kanonen das Vorrecht genießen sollen, als
    denkmal- oder grabsteinberechtigt zu gelten. Je häu-
    figer und konsequenter diese langweilige Tradition
    durchbrochen wird, desto besser.
    W. H.s

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