Wanderungen durch die Mark Brandenburg
bisher geworden ist.
Und wie ich war, werd ich bleiben.«
Er war heiter und gesprächig, so sagt ich. Die Anek-
dote, der Toast, der Versebrief, das Gelegenheitsge-
dicht – alles war ihm untertan. Seine eigentlichste
Meisterschaft aber, zugleich seine vollste Eigenart,
zeigte er auf dem Gebiete des Impromptu . Hier feierte er seine größten und entschiedensten Triumphe.
»Bin Onkel Bonbonkel...«, »Da kommt Abeken im
Trabeken« – in solchen plötzlich aufschießenden
Reimen war er groß, und das geschickte Operieren
mit einem epigrammatisch zugespitzten Calembour
verstand er besser als einer. Er war kein Dichter,
aber man hätt ihn »Wilhelm den Reimer« nennen
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können. Eine Sammlung dieser »geflügelten Worte«,
wenn es möglich wär, eine solche noch nachträglich
zu veranstalten, würd ein Witz- und Anekdotenbuch
und zugleich eine Personen- und Charakterschilde-
rung aus dem zweiten Viertel dieses Jahrhunderts
sein.
Von gesellschaftlicher Bedeutung war auch seine Kunstweise, zumal wenn wir von der Zeit absehen,
wo er noch unmittelbar unter dem Einfluß Italiens
und der großen Meister stand. Was er in der Gesellschaft und für die Gesellschaft schuf, das wird unter allem, was er künstlerisch geleistet, das Dauerndste
sein. Es sind dies seine während eines Zeitraums von
vierzig Jahren entstandenen Portraits, die, soweit
meine Kenntnis reicht, eine in ihrer Art einzig daste-
hende Sammlung bilden.
Diese Sammlung, in Händen seines Sohnes Sebasti-
an H. befindlich, besteht aus siebenundvierzig Jah-
resmappen, die in einem alten Schildpatt- oder Boul-
le-Schranke aufbewahrt werden und die ganze obere
Hälfte desselben füllen. Schon die bloßen Mappende-
ckel bilden eine Sehenswürdigkeit. Bekanntlich gab
es in früheren Jahrhunderten auch eine Buchbinde-
kunst , und einer solchen halb untergegangenen
Kunstepoche scheinen diese Mappen anzugehören.
Sie sind alle verschieden in Farbe wie Stoff; Samt,
Seide, Maroquin wechseln ab; das Vergilbte und Ver-
schossene kleidet ihnen gut; die Goldverzierungen
sind schön erhalten; einzelne tragen auf dem oberen
Deckel ein Mosaikbild oder eine Gemme. Darunter
ein geschnittener Onyx von der Größe einer Damen-
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uhr, die Entführung der Europa darstellend. Ebenso
schön wie wertvoll.
Diese siebenundvierzig Mappen nun, die von 1815
bis 1861 reichen und je nach der Jahresausbeute
dünn oder voluminös sind, enthalten nicht weniger
als 1027 Portraitköpfe. Man darf sagen, alles oder
doch fast alles, was in diesem langen Zeitabschnitt in
ganz Mitteleuropa zu Ruhm und Ansehen gelangte,
das gibt sich hier ein Rendezvous. Gruppieren wir
den Gesamtinhalt nach den Nationalitäten , so finden wir, außer ungezählten Deutschen, 52 Engländer,
43 Italiener, 31 Franzosen, 17 Russen und Polen,
und in Einzelexemplaren gesellen sich ihnen zu:
Griechen, Fanarioten, Rumänier, Montenegriner,
selbst ein indischer Fürst und ein Mexikaner. Lassen
wir die Scheidung nach Nationalitäten fallen und
gruppieren statt dessen nach Beruf und Lebensstellung , so geben die Mappen, unter Ausschluß der
Fürstlichkeiten, die das stärkste Kontingent stellen,
folgendes an Ausbeute: Dichter, Gelehrte, Schrift-
steller 89; Architekten, Maler, Bildhauer, Komponis-
ten 62; Staatsmänner und Generale 51; Schauspie-
ler und Sänger 21.
Aus der Gruppe der Dichter, Gelehrten und Schrift-
steller stehe hier etwa die Hälfte der Namen. Es
sind: Bettina von Arnim; Maxe, Armgard, Gisela von
Arnim; Boeckh; Clemens Brentano; Geheimer Rat
Bunsen; Michael Beer; Dr. Carl Blum; Professor
Droysen; Ehrenberg; La Motte Fouqué; Professor
Gans; Goethe; Jacob Grimm; Paul Heyse; Henriette
Herz; E. T. A. Hoffmann; Alexander von Humboldt;
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Klingemann; Th. Körner; Adam Müller; Wilhelm Mül-
ler; Müllner; Frau von Paalzow; Fürst Pückler; Leo-
pold von Ranke; Oskar von Redwitz; Ernst Schulze
(Dichter der »Bezauberten Rose«); Steffens; Tieck;
Tiedge; Varnhagen und die Rahel. Wer unser Berliner
Leben seit fünfzig Jahren verfolgt hat, wird hier so
ziemlich jeden Namen wiederfinden, der, auf schön-
wissenschaftlichem Gebiet, auf längere oder kürzere
Zeit in den Vordergrund getreten ist. Man beachte:
Fouqué, Müllner, Hoffmann, Pückler, Dr. Carl Blum,
Frau von Paalzow, Redwitz, Paul Heyse.1)
Noch einige kurze Bemerkungen. Hensel hatte keine
Feinde, aber er hatte, gerade was diese Portraits
anging, Zweifler. Diese haben
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