Wanderungen durch die Mark Brandenburg
angelegt hat, sondern zugleich auch
seinen Grab stein an der äußeren Kirchenwand und sein stattliches Grab denkmal im Innern der Kirche.
Ja, wenn ihr Glück habt und es trefft, daß die Herr-
schaften oben ausgefahren oder wohl gar verreist
sind, so könnt ihr am End auch den Säbel sehen, den
der Alte nie zog (ein einzig Mal abgerechnet, wo's
ihm ans Leben ging), und könnt auch vielleicht in
den Husaren-Ahnensaal eintreten, in dem all die
rotröckigen und schnauzbärtigen Zietenschen Offizie-
re hängen, die den Siebenjährigen Krieg mit durch-
gefochten haben. All das könnt ihr da sehen und ne-
benher auch noch dies und jenes hören, allerlei
Schnurren und Anekdoten, die von Mund zu Munde
gehn. Und wenn ihr dann weiterfahrt, dann werdet
ihr ungefähr dasselbe denken, was ich seinerzeit
gedacht habe: ›Weit hinaus über alles Erwartete!‹«
Ja, vorfahren vor dem Krug und über die Kirchhofs-
mauer klettern, ein Storchennest bewundern oder
einen Hagebuttenstrauch, einen Grabstein lesen oder
sich einen Spinnstubengrusel erzählen lassen – so
war die Sache geplant, und so wurde sie begonnen.
Und sehr wahrscheinlich auch, daß es dabei geblie-
ben wäre, wenn es dabei hätte bleiben können . Allein, dies verbot sich. Ein Vorgehen, wie das eben
geschilderte, hatte doch immer ein bestimmtes Maß
von Kenntnis und Interesse zur Voraussetzung und
mußte von dem Augenblick an hinfällig werden, wo
die Voraussetzung selbst es ward und mich im Stiche
ließ. In dem Wustrau-Kapitel lagen die Dinge be-
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quem, Wustrau war ein Idealstoff, aber solcher Stof-
fe gab es in ganz Mark Brandenburg eigentlich nur
noch drei: Rheinsberg, Küstrin und Fehrbellin. Über
diesen Kreis hinaus versagte sofort das Vorweg-
Interesse, weil das Wissen zu versagen anfing, und
schon bei Tamsel und Alt-Möglin, bei Friedersdorf
und Friedland ergaben sich arge Verlegenheiten. In
ihnen waren einerseits die Schönings und Barfus'
und andrerseits die Marwitz' und die Lestwitz' zu
Hause. Wer aber waren die Schönings' und die Bar-
fus'? Und wer waren die Marwitz' und die Lestwitz'?
Und das Recht zu dieser Frage nur einen Augenblick
zugestanden, war auch die Pflicht zugestanden, sie
zu beantworten.
Eine Folge davon war, daß ich aus dem ursprüngli-
chen Plauderton des Touristen in eine historische
Vortragsweise hineingeriet, und Band II (»Oder-
land«) ist denn auch mehr oder weniger ein Zeugnis
und Beweis dafür geworden, indem er aus einer An-
schauungs- und Arbeitsepoche stammt, in der mir
diese veränderte Vortragsweise, will sagen das Vor-
herrschen des Historischen, als unerläßlich erschien.
Aber nicht lange, so bemerkt ich den Irr- und Ge-
fahrsweg, auf den ich geraten war, und bestrebte
mich, mich in die frühere Weise zurückzufinden, ein
Bestreben, das in den beiden Schlußbänden, so hoff
ich, deutlich erkennbar zutage tritt. Auch sie noch
weisen genug des Historischen auf, aber es verbirgt
sich oder sucht sich wenigstens zu verbergen, und so
haben denn Band III und IV auf dem Wege der Kritik
und Reflexion etwa wieder die Form und Gestalt
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empfangen, die mir bei Niederschreibung der ersten
Kapitel, aus dem bekannten »dunklen Drange her-
aus«, als die richtigste, jedenfalls als die wün-
schenswerteste vorschwebte.
Der Hinweis auf diese Dinge schien mir geboten, und
zwar in Abwehr gegen Bemängelungen, denen diese
Reisefeuilletons (so vielleicht darf ich sie nennen)
ausgesetzt gewesen sind. Irgendwo hieß es einmal:
»Die nach mehr als einer Seite hin überschätzten
›Wanderungen‹ sind Arbeiten, an denen der Mann
von Fach, also der Berufshistoriker, achselzuckend
oder doch mindestens als an etwas für ihn Gleichgül-
tigem vorübergeht.« Es mag in diesem Satze sehr
viel Richtiges enthalten sein, aber insoweit irrt er
und benachteiligt er mich, als er mir Absichten und
Strebungen unterstellt, die mir, ein paar der von mir selber angedeuteten Ausnahmefälle zugegeben, absolut ferngelegen haben. Er stellt mich rein willkür-
lich, ohne meinen Wunsch und ohne mein Zutun, in
die Prachtfront der großen Grenadiere, bloß um hin-
terher auf eine bequemste Weise meine Füsilier-
schaft, meine Zugehörigkeit zur letzten Rotte der
12. Compagnie vor aller Welt Augen beweisen zu
können. Ich hab aber nie mehr beansprucht als fünf Fuß, fünf Strich altes Maß. Wer sein Buch einfach
»Wanderungen« nennt und es zu größerer Hälfte
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