Wanderungen II. Das Oderland.
geschicktes, alle Bruchgewässer sammelndes Kanalsystem das Bett der alten Oder, trotz der Coupierung (Zuschüttung) bei Güstebiese, mit Wasser speist. Ausbaggerungen und Tieferlegung des Betts halfen nach.
Man darf sagen, daß sich die Herstellung eines geradlinigen und dadurch verkürzten Oderbetts (»die neue Oder«) in allen Punkten bewährt hat, nur vielleicht in dem einen nicht, den man dabei zunächst und vorzugsweise im Auge hatte. Man hatte, wie schon angedeutet, von diesem neuen, kürzeren Bett eine Verbesserung des Oderfahrwassers erwartet und gehofft, daß das raschere Fließen des Wassers an dieser Stelle das Flußbett vertiefen, den Strom einengen, konzentrieren und dadurch die Stromkraft steigern werde. Dies alles ist wenig oder gar nicht in Erfüllung gegangen. Der vielfach versandete Fluß ist nach wie vor mehr breit als tief, die Schiffahrt nach wie vor schwierig, oft ganz unterbrochen, und sogar die Kanalanlage selbst hat ihren ursprünglichen Charakter zum Teil verloren und ist breiter und infolge davon wieder flacher und sandiger geworden.
Ad 2. Die zweite Aufgabe war die Anlegung von » tüchtigen Dämmen «. Das sogenannte Oberbruch, wie wir gesehen haben, hatte solche Dämme schon. Es handelte sich also vorwiegend um Eindämmung des Niederbruchs , eine Aufgabe, die dadurch so kompliziert wurde, daß nicht nur die »neue Oder« auf ihrer Strecke von Küstrin bis Saaten, sondern vor allem auch die sich in weiten Windungen durch das Land ziehende »alte Oder« eingedämmt werden mußte. Große Anstrengungen und große Geldsummen waren dazu erforderlich. Endlich glückte es. Die Gesamtstrecke der hier im Nieder-Oderbruche angelegten Deiche beträgt über zehn Meilen. Diese Deiche waren nicht gleich anfangs, was sie jetzt sind, weder an Höhe noch Festigkeit. So kam es, daß auch nach Anlage derselben verschiedene große Überschwemmungen stattfanden, zum Beispiel 1786 und 1838. Auch jetzt noch ist die Möglichkeit solcher Überschwemmungen nicht ausgeschlossen: ein Dammbruch kann stattfinden, oder die Höhe des Wassers kann die Höhe der Dämme übersteigen. Indessen verringert sich diese Möglichkeit von Jahr zu Jahr, da die Dämme, wie nach immer verbesserten fortifikatorischen Prinzipien gemodelte Festungen, alljährlich an Ausdehnung und Widerstandskraft gewinnen.
Ad 3. Die dritte Aufgabe war, das Binnenwasser abzufangen. Dies war kaum minder wichtig als die Anlegung der Dämme. Die Dämme schützten gegen die von außen her hereinbrechenden Fluten; aber sie konnten nicht schützen gegen das Wasser, das teils sichtbar in Sümpfen, Pfuhlen und sogenannten »faulen Seen« dastand, teils als Grundwasser unter dem Erdreich lauerte, jeden Augenblick bereit, zu wachsen und an die Oberfläche zu treten. Um diesem Übelstande abzuhelfen, ohne den eine eigentliche Trockenlegung nicht möglich war, bedurfte es eines ausgedehnten Kanalsystems . Auch ein solches wurde geschaffen. Zahllose Abzugsgräben, kleine und große und unter den verschiedensten Namen, wurden hergestellt, die sämtlich in den sogenannten »Landgraben« und mittelst desselben, an Wriezen und Freienwalde vorüber, in die »neue Oder« mündeten. Zum Teil sind es auch wohl diese Gräben, die das tiefer gelegene Bett der »alten Oder« mit Wasser speisen und dasselbe vor völligem Austrocknen schützen. Dies ganze Kanalsystem, ebenso wie die Verwallung, ist im Lauf der Jahrzehnte vielfach verbessert worden, und weite Strecken, die noch vor vierzig Jahren eine durchaus unsichere Heuernte gaben, zeigen jetzt um die Sommerzeit die schönsten Raps- und Gerstenfelder.
Das Wesentliche dieser Arbeiten – die selbstverständlich nie ganz ruhten und bis diesen Tag fortgesetzt werden – war bereits vor Ausbruch des Siebenjährigen Krieges beendet. 1) Niemand ahnte damals, was im Laufe der Zeit durch den Einfluß von Luft und Sonne, durch den Fleiß der Bewohner, durch Verstärkung der Dämme, durch Erweiterung und bessere Richtung der Abzugsgräben aus diesem Landesteile werden würde – man hielt es überwiegend nur zum Graswuchs und zur Weide geeignet. Der Brief eines Reisenden, der das Bruch im Jahre 1764 passierte, gibt Auskunft darüber. Der Brief lautet:
»So angenehm auch diese Gegend geworden (denn es ist die ebenste Pläne, die Wege mit Weiden besetzt, wie auch die Deiche, und zwar mit mehreren Reihen, nicht nur auf dem Kamm, sondern auch auf der Böschung zu beiden Seiten, damit sie von den verwachsenen Wurzeln eine mehrere
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