Wanderungen II. Das Oderland.
Stadt. Am 10. Oktober.
Dies alles war wie der Nachklang eines kriegerischen Lebens, und der nun dreiundachtzigjährige Derfflinger zog sich, »des Treibens müde«, in sein ihm immer lieber gewordenes Gusow zurück. Er lebte hier ganz seinen nächsten Interessen, vor allem aber der Verschönerung und Pflege seines Parkes. Hof und Haus waren seine Welt geworden. Am 4. Februar 1695 starb er und wurde, seinem Letzten Willen gemäß, in dem schon fünfundzwanzig Jahre vorher von ihm erbauten Erbbegräbnisse beigesetzt, »ohne Gepränge und ohne Lobrede auf sein Leben und seine Taten«. Der Geistliche – Salomon Sannovius – hatte sich in seiner Predigt auf den Ausspruch zu beschränken, »Gott habe den Entschlafenen in fast fünfundsiebzigjährigen Kriegsdiensten von der niedrigsten bis zur höchsten Stufe gelangen lassen«.
Kurfürst Friedrich III. ließ seinem Feldmarschall zu Ehren eine Gedächtnismünze prägen, die auf der einen Seite Derfflingers Portrait, auf der andern sein Wappen zeigt. Darunter ein Mars und ein Herkules mit der Umschrift: »His Majoribus.« – »Durch diese Ahnen.«
Derfflinger war rüstig und stark, und die Natur schien ihn zum Krieger gebildet zu haben. Unter einer breiten Stirn eine römische Nase; dazu volles krauses Haar und starke Augenbrauen, aber nur wenig Bart über der Oberlippe und etwas verstutztes Haar am Kinn.
Soviel über seine äußere Erscheinung.
Was seinen Charakter angeht, so leuchtet sein großer Mut hervor, oder, wie sein ältester Biograph im Stile seiner Zeit sich ausdrückt: »Der Mut war sein Vater und die Schlacht seine Mutter, während sein Zelt dem eisernen Bette des Riesen Og von Basan glich.«
Es war ihm ein Stolz, sich aus allerniedrigster Lebenssphäre zur höchsten emporgearbeitet zu haben, und wohl durft er – dazu herausgefordert – dem französischen Gesandten Grafen Rebenac antworten: »Ja, Herr, der Schneider bin ich . Und hier die Elle, womit er alle feigen Seelen der Läng und Breite nach zu messen pflegt.« Der Hergang wird verschieden erzählt, aber im wesentlichen läuft er in all seinen Versionen auf dasselbe hinaus.
Durch und durch ein »Charakter«, scheint er all sein Leben lang zu den spezifisch Unbequemen gehört zu haben, obschon der Italiener Leti von ihm rühmt, »daß er sich bei Hofe in angemessener Sanftheit und Feinheit bewegt habe«. Aber wenn dies auch zutreffen sollte, so wird doch sein Auftreten »im Dienst« von seinem Auftreten bei Hofe sehr verschieden gewesen sein. »Tuen wir unsere Schuldigkeit als Generals«, rief er in einem Kriegsrat am 25. Dezember 1674 dem kaiserlichen Obergeneral Herzog von Bournonville zu, »und sitzen wir hier nicht still wie alte Weiber.« An solchen und ähnlichen Aussprüchen ist kein Mangel. Ohne Menschenfurcht, war er in seiner Rede voller Freimut. Es scheint aber doch, als ob er nicht nur freimütig, sondern auch in hohem Grade erregbar gewesen sei. Wir finden ihn immer unzufrieden, immer verletzt, eine Gemütsstimmung, der er denn auch in einem Reime Ausdruck gab, den er dem sächsischen Feldmarschall Grafen Baudissin in das Stammbuch schrieb:
Wind und Regen
Ist mir oft entgegen,
Ducke mich, laß es vorübergan,
Das Wedder will seinen Willen han.
Und dieses alles richtete sich im wesentlichen gegen seinen »gnädigen Herrn, den Kurfürsten«, der seinerseits, bei sonst hitzigem Temperament, seinem Feldmarschall-Murrkopf gegenüber eine wahrhaft bewundernswerte Nachsicht und Langmut an den Tag legte. Meist waren es Rangfragen, die den Unmut des alten »Grognard« erregten, und ähnliche Szenen, wie sie schon 1670 gespielt haben, als er sich dem Fürsten Johann Georg von Anhalt-Dessau (Vater des »alten Dessauers«) nachgestellt glaubte 1) , wiederholten sich, als der Große Kurfürst siebzehn Jahre später dem Grafen von Schomberg das Kommando der brandenburgischen Armee übertrug. Es entspann sich ein sehr gereizter Briefwechsel, aus dem zur Charakterisierung beider Briefschreiber, des Kurfürsten und seines Feldmarschalls, folgende Stellen hier einen Platz finden mögen.
» Wollgeborner besonders lieber General-Feldmarschall .
Es ist Euch annoch außer Zweifel erinnerlich, was ich mit Euch zum öftern wegen eines tüchtigen und capablen Generals, den ich meine Armee und Militz en Chef zu kommandiren anvertrauen könnte, in gnädigstem Vertrauen geredet, weßgestalt Ihr auch jedesmal dafür gehalten, daß unter andern Qualitäten, die zu einer so vornehmen Charge
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