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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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verschwunden war, und es dauerte eine Weile, bis jeder sich sammelte und ruhig seines Weges ging.«
    In seinem achten Jahre erhielt Marwitz einen Hofmeister. Er hieß Herr Rosa, war ein völliger Ignorant, aber ein rechtschaffener Mann. Die Unterrichtsmethode, nach der er verfuhr, erwies sich als die einfachste von der Welt, bewährte sich aber durchaus. Schroeckhs »Allgemeine Weltgeschichte«, um ein Beispiel für seine Methode zu geben, wurde vorgelesen, was ohngefähr ein Jahr lang dauerte. War die letzte Seite gelesen, so wurde mit der ersten wieder angefangen. Der Sonnabend gehörte der Repetition. Nachdem Marwitz seinen Schroeckh zweimal durch hatte, fingen diese Repetitionsstunden an, eine Redeübung zu werden. Marwitz, mit gutem Gedächtnis ausgerüstet, hatte den Inhalt des Buches beinahe wörtlich im Kopf und sah sich dadurch in den Stand gesetzt, jedes Kapitel wie eine Erzählung vorzutragen. Der Vorteil, der dadurch gewonnen wurde, war ein doppelter: die Dinge saßen fest fürs Leben, und die Gewohnheit des Vortraghaltens gewann ihm die nicht hoch genug zu schätzende Fähigkeit, aus dem Stegreif zusammenhängend reden zu können.
    Dreizehn Jahr alt, trat Marwitz als Junker in das Regiment Gensdarmes, also in dasselbe Regiment, in dem schon so viele Marwitze, darunter zwei seiner Oheime, gedient und Ruhm und Auszeichnung gefunden hatten. Dieser Eintritt verstand sich ganz von selbst; an die Möglichkeit eines andern Berufs war im Vaterhause nie gedacht worden. Marwitz gedachte dessen immer voll Dank, denn wie wenig auch die Verhältnisse ihm zu Gunst und Willen gewesen waren, immer blieb er dabei, daß das Leben des Kriegers das schönste und der Krieg der Prüfstein des Mannes sei. In etwas einseitiger, aber charakteristischer Auffassung schrieb er daher noch kurz vor seinem Tode: »Zu vieles Lernen ertötet den Charakter. Im Kriege nur fallen all die Künste weg, welche den Schein an die Stelle des Verdienstes setzen. Diese Eigenheit des Krieges wird nicht genugsam erkannt. Blick und Urteil unter erschwerenden Umständen, Tapferkeit und Ausdauer können nirgends anders als im Kriege gezeigt und erprobt werden. Nur hier kann man mit Sicherheit auf den Charakter des Menschen schließen.«
    Marwitz war also Junker im Regiment Gensdarmes. Wie er zeitlebens alles ernst nahm, so auch den Dienst. Der noch knabenhafte Körper mußte dem starken Willen gehorchen, und der Junker avancierte zum Cornet und Offizier. Klein, wie er war, machte ihm das Reitenlernen die größte Schwierigkeit, aber je mehr er diese Schwierigkeit empfand, desto mehr war er bestrebt, sie zu überwinden. Zu jeder Tageszeit saß er zu Pferde, gab aufs genaueste bei denen acht, die als die besten Lehrer und Stallmeister galten, und fragte, versuchte und quälte sich so lange, bis er endlich völlig triumphierte und zu einem der besten Reiter des Regiments wurde. Das wollte damals etwas sagen; denn wenn man den Erzählungen und Berichten Glauben schenken darf, die Marwitz über diesen Gegenstand – dem er auch in späterer Zeit noch besondere Aufmerksamkeit widmete – hinterlassen hat, so war die Kunst des Reitens nur in der alten Armee zu Hause und wurde in die neue Heeresorganisation nicht mit herübergenommen. Während des Krieges und nach demselben saß man noch zu Pferde, aber man ritt nicht mehr. Mit wahrer Begeisterung gedachte deshalb Marwitz seiner Lieutenantstage, wo diese Kunst noch geblüht, und erzählte mit Vorliebe von den Jagdspielen, die damals von Kavallerieoffizieren der Berliner Garnison im Tiergarten aufgeführt wurden. Lieutenant Rothkirch von den Gensdarmes (»ein gewaltiger Reiter, wie es keinen mehr gibt«, setzt er hinzu) machte den Hirsch und verbarg sich im Walde; die andere waren Jäger und Hunde. Es wurde parforcemäßig lanciert und dann gejagt; der Hirsch sollte gegriffen werden, was aber fast niemals gelang.
    Das letzte Jahrzehnt des Jahrhunderts brachte Krieg; Marwitz machte 1790 den resultatlosen polnischen Feldzug, 1793 bis 1795 die Rheincampagne mit; wichtiger aber als diese Kriegsereignisse, an denen er bei seiner Jugend keinen hervorragenden Anteil nehmen konnte, war für ihn, besonders für seine geistige Entwicklung, die Rückkehr des Obersten Baron von der Goltz, der eine lange Reihe von Jahren hindurch in Paris als preußischer Gesandter gelebt hatte. Baron von der Goltz war ein naher Verwandter der Marwitzschen Familie und verbrachte seine Abende mit Vorliebe im Hause derselben. Die

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