Wanderungen II. Das Oderland.
die unter Friedrich dem Großen von 1746 bis 1753 ausgeführt wurden, kamen dem gesamten Oderbruche zustatten; in besonderem Maße aber doch nur dem nördlichen Teile desselben, dem Niederbruch . Dies war auch Zweck. Das Oberbruch zwischen Frankfurt und Küstrin war längst unter Kultur 1) ; das sumpfige Niederbruch , zwischen Küstrin und Freienwalde, war der Kultur erst zu erobern.
Diese Eroberung des Nieder bruchs, mit dem wir uns auch hier wieder ausschließlich beschäftigen, geschah, wie ich schon in dem Kapitel » Die Verwallung « gezeigt habe, a) durch das neue Oderbett, b) durch die Eindeichung, c) durch Abzugskanäle.
Das Niederbruch , vor Ausführung dieser Arbeiten, war ein drei bis vier Quadratmeilen großes Stück Sumpfland, auf dessen wenigen, etwas höher gelegenen Sandstellen sich acht kümmerliche Dörfer vorfanden. Diese waren:
Reetz, Meetz,
Lebbin, Trebbin,
Großbaaren, Kleinbaaren,
Wustrow und Altwriezen.
So, wie hier aufgeführt, wurden diese Dörfer früher geschrieben. Die Rechtschreibung einzelner dieser Namen ist seitdem eine andre geworden: Meetz ist Mädewitz, Lebbin ist Lewin, Großbaaren und Kleinbaaren ist Groß- und Kleinbarnim. In der Volkssprache aber leben die alten Namen noch fort. Man sagt noch jetzt: Meetz, Lebbin und jedenfalls Groß- und Kleinbaaren.
Diesen acht kümmerlichen Fischerdörfern zuliebe konnte natürlich seitens des großen Königs die Entwässerung von drei oder vier Quadratmeilen Sumpfland nicht vorgenommen werden, um so weniger, als er sehr wohl wußte, daß die Reetzer und Meetzer Fischer, wenn er ihnen auch alles entwässerte Land abgaben- und mühelos zu Füßen gelegt hätte, doch, nach Art solcher Leute, nur über den Verlust ihrer alten Erwerbsquellen (Heumahd und Fischerei) geklagt haben würden. Der König verfuhr also anders. Er hatte durch seine Mittel das Land gewonnen und verteilte das Gewonnene nach seinem Belieben. Einen wesentlichen Teil behielt er selbst (königlicher Anteil), den Rest erhielten die angrenzenden Städte und Rittergüter, einiges auch die alten Dorfschaften. Das gewonnene Land betrug im ganzen 130 000 Morgen, auf welches nun, wie man sonst Bäume pflanzt oder einsetzt, 1300 Familien »angesetzt« wurden. Das geschah in dreiundvierzig neugegründeten Kolonistendörfern. Die Gründung dieser Kolonistendörfer war Sache des Königs auf dem königlichen Anteil, Sache der Städte und Rittergüter auf den Anteilen, die diesen zugefallen waren. So entstanden königliche , städtische und adlige Kolonistendörfer.
Die königlichen Kolonistendörfer waren von Anfang an die größten und wichtigsten und sind es wohl auch geblieben. Mit Ausnahme von Herrenhof und Herrenwiese führen sie sämtlich die Namen alter Bruch- und Uferdörfer, denen nur, zur Unterscheidung, die Silbe »Neu« hinzugefügt worden ist. Es sind folgende:
Neubarnim Neulietzegöricke
Neulewin Neumädewitz
Neutrebbin Neureetz
Neukietz Neurüdnitz
Neuküstrinchen Neutornow
Neuglietzen Neuwustrow.
Die meisten Kolonisten wurden in den drei erstgenannten Dörfern, in Neubarnim, Neulewin und Neutrebbin, angesetzt, und ist diesen drei Ortschaften auch eine gewisse Superiorität verblieben. Sie zählen bis zu 2000 Einwohnern und darüber.
Werfen wir noch einen Blick auf jene ersten Jahre nach der Trockenlegung des Bruchs. 1300 Kolonistenfamilien sollten angesetzt werden, vielleicht waren auch die Häuser dazu bereits aufgeführt. Aber wo die Menschen hernehmen? Das war nichts Leichtes. Eine eigne »Kommission zur Herbeischaffung von Kolonisten« wurde gegründet, und diese Kommission ließ durch alle preußische Gesandtschaften »fleißige und arbeitsam Ausländer« zum Eintritt in die preußischen Staaten einladen. Diese Einladungen hatten in der Tat Erfolg; an Versprechungen wird es nicht gefehlt haben. So kamen Pfälzer, Schwaben, Polen, Franken, Westfalen, Vogtländer, Mecklenburger, Östreicher und Böhmen, die größte Anzahl aus den drei erstgenannten Ländern. Neubarnim ist eine Pfälzerkolonie, ebenso Neutrebbin. Neulewin wurde mit Polen, auch wohl mit Böhmen, jedenfalls mit slawischen Elementen besetzt. Die Unterschiede zeigen sich zum Teil noch jetzt in Erscheinung und Charakter der Bewohner. In den Pfälzerdörfern begegnet man einem mehr blonden, in Neulewin einem mehr brünetten Menschenschlag. Auch von der Ausgelassenheit und dem leichten, lebhaften Sinn der Pfälzer hört man erzählen. 2) Jede Familie erhielt neunzig, sechzig,
Weitere Kostenlose Bücher