Wanderungen II. Das Oderland.
zusammen. Ein ähnlich komisches Verhältnis bestand zwischen seiner Gestalt und seinem Namen.
»Guten Tag, Herr Nonnenprediger.«
Der Angeredete erwiderte ruhig den Gruß und verzog keine Miene.
»Herr Nonnenprediger«, fuhr mein Reisegefährte fort, »einer von den Bauern hier sammelt ja wohl alles, was auf dem Schlachtfelde gefunden wird. Verlohnt es sich, bei ihm vorzufahren?«
Nonnenpredigers Mund ging in ein leises Grinsen über, das über seine Stellung zu »vaterländischen Altertümern« keine weiteren Zweifel gestattete.
»Können Sie uns nicht ohngefähr sagen, was der Bauer alles hat?«
»Kanonenkugeln, Gewehrläufe, Schäfte, Flintensteine.«
»Nicht den Lehnstuhl, drauf Friedrich der Große die Nacht vorher geschlafen hat?«
»Nein, der steht in der Neudammschen Mühle.«
»Sonst nichts?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Danke schön. Guten Abend, Herr Nonnenprediger. – Fahr zu!«
Und so ging es weiter, an der hübschen neuen Kirche vorbei, hinaus ins Freie.
Unmittelbar hinter Zorndorf beginnt das Schlachtfeld. Es ist ein Viereck, das von der Neumühlschen Forst und dem Zicher Bach im Westen und Osten und von der Mietzel und einem Höhenzug im Norden und Süden gebildet wird. An dem Höhenzuge liegen Wilkersdorf und Zorndorf. Auf diesem Stückchen Erde wurde die Schlacht geschlagen. Der Boden ist wellenförmig, aber die Einschnitte ziehen sich nicht horizontal von West nach Ost, sondern senkrecht von Nord nach Süd, so daß das ganze Terrain mit seinen Höhen und Tiefen einer Tischplatte gleicht, auf der eine Riesenhand mit gespreizten Fingern liegt. Das an jenem Tage den Mittelpunkt der russischen Stellung bildende Dorf Quartschen entspricht dem Handgelenk. Hier trafen alle Höhen und Tiefen in einem Punkte fächerförmig zusammen.
Auf einem zwischen zwei dieser Vertiefungen, dem Zaber- und dem Galgengrunde, gelegenen Hügelrücken entschied sich die Schlacht. Richtiger: von hier aus wurde sie entschieden. Von Zorndorf her den Zabergrund hinaufrückend, begleitete Seydlitz am äußersten linken Flügel der preußischen Aufstellung den Auf- und Vormarsch der Angriffskolonnen. Selber ungesehen, sah er seinerseits alles. Auf die Aufforderung des Königs, »anzugreifen, bei Gefahr seines Kopfes«, gab er die bekannte Antwort: » Nach der Schlacht stehe dem Könige sein Kopf zu Befehl; während derselben mög er ihm noch erlauben, davon in seinem Dienste Gebrauch zu machen.« Der Zeitpunkt war eben noch nicht da. Im Moment aber, als die bereits siegreichen Russen ihre Reiterei vorschickten, um in die fliehenden preußischen Bataillone einzuhauen, schwenkte Seydlitz plötzlich rechts, passierte den Bach und stieg aus der Tiefe herauf. Und nun wie Sturm über das Plateau zwischen dem Zaber- und Galgengrund hinfegend, führte er jene weltberühmte Attacke aus, die mit der Niederwerfung des zunächststehenden russischen Hügels endigte und, sechs Stunden später gegen den andern Flügel wiederholt, den Tag zugunsten des Königs abschloß.
»Seydlitz, auch diesen Sieg verdank ich Ihm.« – »Nicht mir, Majestät. Hier diesem Löwen, dem Rittmeister von Wakenitz.« Es war überhaupt, wie ein Tag glänzender Attacken, so auch ein Tag glänzender Impromptus und Repliken. »Keine Schlacht ist verloren, solange das Regiment Garde du Corps nicht angegriffen hat« etc.
Die Chaussee von Zorndorf nach Quartschen läuft auf der Höhe des flachen Hügelrückens zwischen dem Zaber- und Galgengrunde hin und durchschneidet also genau denjenigen Teil des Schlachtfeldes, auf dem die Würfel fielen.
Wir machen den Weg bei Sonnenuntergang. Der goldene Ball hängt verschleiert am Horizont, die Luft ist still, und nur hoch im Blauen singt es und klingt es noch. So geht es zwischen dem wogenden Korn dahin.
Etwa 1000 Schritt hinter Zorndorf passieren wir einen altmodischen Bauerhof mit Plankenzaun und Strohdach. Wieder 500 Schritte weiter fällt uns, rechts am Weg, ein auf verschiedenen Stufen errichtetes und das Kornfeld weithin überragendes Steinmonument auf, das am 25. August 1826 von Männern des Kreises an ebendem Punkte aufgebaut wurde, wo, alter Überlieferung zufolge, der König hielt und den Gang der Schlacht ordnete und überblickte. Diesem Punkte gilt unser Besuch.
Wir lassen halten und suchen nach einem Feldweg. Aber nichts der Art ist zu finden. Besucher auf dem Schlachtfelde von Zorndorf sind so selten, daß es sich nicht verlohnt, einen Weg nach dem Denkmale hin offenzuhalten. Lauter
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