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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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bot sich mir nur Gelegenheit, diese Papiere zu lesen, nicht, sie zu benutzen. Sie geben ein vortreffliches Zeitbild. ._.
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Jenseits der Oder
Küstrin
    Die Wasser grau und schwer,
Und Wolken drüber her,
Und über den Mauern
Liegt es wie Trauern.

     
    Jenseits der Oder, wo zwischen Werft und Weiden die Warthe rechtwinkelig einmündet, liegt Küstrin, ein durch die Jahrhunderte hin in den Geschichten unseres Landes oft genannter Name. Oft, aber selten freudig. Etwas Finster-Unheimliches ist um ihn her, und in meiner Erinnerung seh ich den Ort, der ihn trägt, unter einem ewigen Novemberhimmel.
    Über die Bedeutung des Namens fabeln die Chronisten in gelehrten Streitigkeiten; ich meinerseits begnüge mich mit dem Tatsächlichen, daß Küstrin um die Wende des Jahrtausends ein slawisches Fischerdorf, um 1200 ein oppidum oder Flecken und um 1300 eine civitas oder Stadt war. 1317 wird es zuerst als solche genannt. Ist dies sein Geburtsjahr als Stadt, so war es in eine schwere Zeit hineingeboren. Wenig später (1319) trat mit Markgraf Waldemar das askanische Haus vom Schauplatz ab, und jenes bayerisch-luxemburgische Interregnum folgte, das gerade lange genug währte, die bis dahin blühende Mark in eine Wüste zu verwandeln. Von dem allgemeinen Elend ward auch Küstrin betroffen, und die Blätter seiner Chronik erzählen ausgiebig von Ereignissen, wie sie damals in allen märkischen Städten, groß oder klein, so ziemlich dieselben waren: Fehden unter- und gegeneinander, Fehden mit den Pommern und Polen, Fehden mit Adel und Bischöfen und dazwischen Überschwemmungen und Feuersbrünste, Mißernten und schwarzer Tod. Jedes Blatt ein Klageschrei. Und doch verklingt er an unserem Ohr, weil der statistisch-trockenen Aufzählung aller dieser Notstände die menschlich-erschütternden Züge fehlen. Und nur sie haben Wert, nur sie stimmen uns zu Lust oder Schmerz, und der scherzhaft zugespitzte Satz: »daß ein rauhes Wort Reinharts an Lorle uns mehr rühre als der Untergang einer Dynastie«, birgt einen Kern ernster und tiefer Wahrheit.
    Schreckensvoll und doch inhaltsleer verging unseren Marken das vierzehnte Jahrhundert.
    Das ihm folgende fünfzehnte schien endlich eine Wandelung zum Bessern bringen zu sollen: die Nürnberger Burggrafen kamen ins Land. Aber die Wandlung, die mit ihnen kam, reichte nur bis an die Oder, und alles, was »drüben« lag: die Neumark und das mit ihr dem Deutschen Ritterorden zugefallene Küstriner Land, hatte noch lange hin auf die Segnungen eines starken und wohlwollenden Regiments zu warten.
    Erst als um die Mitte des Jahrhunderts Kurfürst Friedrich Eisenzahn alles jenseits der Oder gelegene Land für sich und seine Kurmark rückerwarb, zogen auch für diese Landesteile glücklichere Zeiten herauf, Zeiten, die nach abermals achtzig Jahren in » Küstrins Glanzperiode « gipfelten.
    Das war unter Markgraf Hans.
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Zorndorf
    Moskoviens Bär mit eisbehangnen Haaren
Dürstete Friedrichs Blut.
    Christian Fr. Daniel Schubart
    Mit Vergunst,
Der Will' ist eins, ein andres ist die Kunst.

     
    Eine halbe Meile nördlich von Tamsel liegt Zorndorf. Der Weg führt zunächst durch eine tiefe Schlucht, die hier, unmittelbar im Rücken des Dorfes, die Hügelkette torartig durchbricht und, immer ansteigend, auf ein Plateau von mäßiger Höhe mündet. Die Fahrt, die sehr malerisch beginnt, verliert sehr bald ihren Charakter; Sand und Baumwurzeln treten an die Stelle von mit Laubholz besetzten Berglehnen, bis endlich das freundlich daliegende Zorndorf die ziemlich reizlose Öde wieder unterbricht.
    Zorndorf ist wohlhabend, wie fast alle Dörfer, wo Schlachten geschlagen wurden. Ob es lediglich daran liegt, daß die während des Kampfes zerstörten Dörfer besser und hübscher wiederaufgebaut werden, oder ob die Schlachtfelder, wie große Kirchhöfe, einen reicheren Acker schaffen? Es stehe dahin. Vielleicht auch kommt noch ein Drittes hinzu. Das Auferbauen aus Trümmern schafft nicht nur einfach ein neues Dorf, es schafft auch, in nötig gewordener Anspannung, ein rührigeres Geschlecht. Und Fleiß und Energie, einmal wachgerufen, vererben sich weiter von Vater auf Sohn.
    Unser Wagen hielt vor dem Krug, und mein in Zorndorf halb heimischer Reisegefährte rief nach dem Krüger. Und siehe da, aus einem kleinen dürftigen Laden trat eine Hünengestalt heraus, grüßte und stellte sich halb dienstlich neben den Tritt unseres Wagens. Seine riesige Gestalt und die kleine Ladentür paßten wenig

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