Wanderungen II. Das Oderland.
Gemisch von Wahrheit und Trug nicht annehmen wolle. Lieber Beil als Feder, lieber Blut als Tinte«, und damit schob er das Schriftstück zurück. Der Kaiser sah ihn zornig an und gebot ihm, den Reichstag zu verlassen – eine Verbannung, der er gern gehorchte. Und heimgekehrt in seine Stadt Küstrin, schrieb er über die Tür seines Arbeitszimmers:
Hast du Feind' und fehlt dir Glück,
Hab guten Mut, weich nicht zurück.
In steter Hoffnung leb und trag,
Was dir auf Erden begegnen mag.
Um dieser seiner Standhaftigkeit willen ward er damals als ein Hort und Retter jener Glaubensbefreiung angesehen, der er in der Tat sein Leben gewidmet hatte, und dem Urteil eines seiner Biographen wird auch heute noch zuzustimmen sein: »daß sein Einfluß auf das Schicksal des Protestantismus in Deutschland ein sehr bedeutender gewesen sei, viel bedeutender, als selbst unsere märkischen Spezialgeschichten hervorzuheben pflegen«.
In dem neumärkischen Lande aber, das er ein Menschenalter lang regiert, lebt sein Andenken fort bis diesen Tag, freilich nicht in seiner Eigenschaft als Führer und Beschützer der protestantischen Sache! Was er nach dieser Seite hin getan, konnte nicht Wurzel fassen in den Gemütern eines Stammes, von dem in Lob und Tadel gesagt worden ist, »daß er keine Heiligen hervorgebracht, aber auch keine Ketzer verbrannt habe «. Er lebt fort in dem , was diesem tüchtigen, aber durchaus nüchternen Mischvolk zu beiden Seiten der Oder allezeit das Wichtigste war, in Fragen der Ordnung und der Vorsorge, des Häuslichen und des Wirtschaftlichen. Und das spiegelt sich in den Sagen, die bis heute von ihm umgehen. »In den Kasematten von Küstrin«, so heißt es, »steht sein Bett, das hängt in Ketten, und ein altes Mütterchen ist ausdrücklich gehalten, es jeden Tag aufs sorglichste zu machen. Des Morgens aber ist eine Grube darin und eine warme Stelle, als hätte wer darin gelegen.« – »Und fremdes Volk«, so plaudert die Sage weiter, »mag er in seiner Stadt nicht leiden, am wenigsten einen Feind. Das hat manche französische Schildwacht erfahren müssen, und ging sie zu nah am Rande des Wallgangs, der zwischen Bastion König und Bastion Brandenburg läuft, so war er bald neben ihr und sprach mit ihr und stieß sie hinunter.«
Und mit diesen Sagen gemeinschaftlich werden die Geschichten erzählt von dem Quartschner Schäfer und dem Nürnberger Büchsenschmied, und Markgraf Hans ist noch jetzt der »Regente« des Landes, das er streng, aber segensreich regiert.
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Auf dem Hohen-Barnim
»Der Blumenthal«
Und aber nach fünfhundert Jahren
Will ich desselbigen Weges fahren.
»Chidher, der ewig junge«
»Der Blumenthal«, das heißt der Blumenthal-Wald, ist der Name eines großen Forstreviers, das den Hohen-Barnim von Westen nach Osten hin durchzieht und durch die von Berlin nach Wriezen führende Straße fast seiner ganzen Länge nach durchschnitten wird.
»Der Blumenthal« hat seine Romantik. Etwas von dem Zauber Vinetas ist um ihn her, und die Sage von untergegangenen Städten, verschwunden in Wasser oder Wald, begleitet den Reisenden auf Schritt und Tritt. Wer um die Mittagsstunde hier vorüberzieht, der hört aus Schlucht und See herauf ein Klingen und Läuten, und wer gar nachts des Weges kommt, wenn der Mond im ersten Viertel steht, der hat über Stille nicht zu klagen, denn seltsame Stimmen, Rufen und Lachen ziehen neben ihm her.
Und ein schöner Wald ist »der Blumenthal«. Die vielen Seen, die ihn durchschneiden, geben, auch wo sie nicht sichtbar werden, seinem Laub eine duftige Frische, und ein Blühen ist ringsum, als woll es der Wald immer wieder beweisen: ich bin » der Blumenthal «!
Rapsfelder an den offenen Stellen, die sich breit in den Wald hineindehnen, würzen im Mai die Luft; dem Blühdorn folgt die Hagerose und dem Faulbaum der Akazienstrauch; die roten Erdbeeren lösen sich ab mit den röteren »Malinekens« (wie der Landmann hier, poetischen Klanges, die Himbeeren nennt), und wenn endlich der Herbst kommt, so lachen die Ebereschenbeeren überall aus dem dunklen Blattwerk hervor. Dabei ein Reichtum an Hölzern, wie ihn märkische Forsten wohl kaum zum zweiten Male zeigen. In reichstem Gemisch stehen alle Arten von Laub- und Nadelholz; Eiche und Edeltanne, Else und Kiefer, Buche und Lärchenbaum machen sich den Rang der Schönheit streitig; vor allem aber ist es die Birke, der Liebling des Waldes, die mit weißem Kleid und langem Haar an dem Auge des Reisenden
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