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Wanderungen II. Das Oderland.

Wanderungen II. Das Oderland.

Titel: Wanderungen II. Das Oderland. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theodor Fontane
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ihm kaum Linderung, geschweige Besserung, und als er in der ersten Januarwoche 1571 die Nachricht empfing, daß sein Bruder, der Kurfürst, auf seinem Jagdschlosse zu Köpenick plötzlich gestorben sei, mochte er das Herannahen seines eigenen Endes fühlen. Eine Ohnmacht überfiel ihn, und als er aus ihr erwachte, ließ er seinen Hofprediger und Generalsuperintendenten Dr. Cölestinus zu sich rufen. Dieser kam und setzte sich mit an den Tisch, auf dem Speisen aufgetragen waren, und als das Gebet gesprochen, sagte der Markgraf: »Hilf Gott! Wie arme Leute sind wir! Wär ich doch schier in einer Ohnmacht dahingegangen. Ach, was ist das Leben. Dolor et labor. Lieber Gott, gib, daß wir seliglich sterben.«
    Das war am 12. Januar. Die Nacht darauf schied er aus dieser Zeitlichkeit. Schon fünfzehn Jahre vorher hatte er sich unter dem Marmoraltar seiner Küstriner Schloßkirche ein Grabgewölbe herrichten und demselben auch eine Inschrift geben lassen. Und zwar standen an einer in die Wand eingelassenen Messingtafel die folgenden Worte: »Johannes, Markgraf zu Brandenburg, ein Sohn Markgraf Joachims I., Kurfürsten zu Brandenburg, hat durch Gottes Vorsehung im Jahre 1536 angefangen, die reine Lehre des Evangelii und Wortes Gottes, inhalts Augsburgischer Konfession, nach prophetischer und apostolischer Schrift allhier zu Küstrin öffentlich lehren zu lassen, und ist in solchem Bekenntnis, Er und die Seinigen, aus Gnaden des Allmächtigen beständig geblieben. Solus spes mea Christus.«
    In dieser Gruft wurde Markgraf Hans in feierlicher Weise beigesetzt, und die Chronisten geben eine Beschreibung davon, nicht viel kürzer als die Beschreibung seines Lebens. Er war ohne männliche Deszendenz gestorben, und so fiel die Neumark, nach einer verhältnismäßig kurzen Trennung von der Kurmark, wieder an diese zurück.
    Es erübrigt uns noch ein Blick auf seinen Charakter, den anzudeuten schon die vorstehende Schilderung seines äußeren Lebensganges Gelegenheit bot, weshalb einige Aussprüche sich an dieser Stelle wiederholen werden. Er war klug und scharfblickend, ein Mann der Ordnung und des Gesetzes, ein glänzender Haushalter und ein unermüdlicher Begründer eigenen und fremden Wohlstandes. Das machte ihn volkstümlich. Aber alle diese Tugenden grenzten an ebenso viele Fehler. Sein Scharfblick, in Argwohn und Mißtrauen ausartend, ließ ihn den Spruch:
    Unter Tausenden trau einem recht,
Bis du erkennst ihn treu oder schlecht,
    zu seinem Lieblingsspruche wählen, und die Handhabung des Gesetzes trieb er mit einer eisernen Strenge und Unnachsichtigkeit, daß er den Beinamen Severus erhielt und verdiente. Es war zu rühmen, daß er sich beflissen zeigte, das Räuber- und Mordbrennerwesen, das an der Tagesordnung war, mit Stumpf und Stiel auszurotten, aber es war zu streng, zu streng auch aus dem Geiste seiner Zeit heraus, Flucher, die schon wiederholentlich wegen Fluchens bestraft worden waren, schließlich hinrichten zu lassen. Sooft er Todesurteile zu bestätigen hatte, tat er es mit dem Worte: »Auferas malum e medio populi tui«, und wer für Verbrecher zu bitten kam, erhielt einfach die Antwort: »Fiat justitia et pereat mundus.«
    Sein Kardinalfehler war der Geiz , in den seine weise Sparsamkeit beständig ausartete. Wenn sein Kanzler Barthold von Mandelsloh in seidenen Strümpfen vor ihm erschien und er ihm zurief: »Bartholde, ich hab auch seidene Strümpfe, aber ich trage sie nur sonn- und festtags«, so mag das als ein humoristisch anklingender Zug lächelnd und dankbar hingenommen werden, wenn er aber, nach Art mancher modernen Adeligen, das Prinzip verfolgte, Rechnungen auf lange Zeit hin unbezahlt zu lassen, so wird ihm dies schwerlich als Zierde angerechnet werden können. Sein Nürnberger Büchsenmacher kannte diese Sonderbarkeit des hohen Herrn und richtete deshalb folgendes Schreiben an ihn: »Guten Tag, Herr Markgraf. Eure Büchse ist fertig. Schickt Ihr mir Geld, so schick ich Euch die Büchse. Schickt Ihr mir das Geld nicht , so schick ich auch die Büchse nicht. Hiermit Gott befohlen.«
    Er war von Kopf zu Fuß ein Finanz- und Börsenmann und lieh Geld auf Zinsen. Niedere und hohe, je nachdem. Innerhalb seines eigenen Landes wurd er dabei sehr wahrscheinlich von der nicht unlöblichen Absicht geleitet, Bedrängten Hülfe zu leisten, ohne geradezu schenken zu müssen, nach außen hin aber fielen diese Rücksichtsnahmen fort und entschied nichts als der eigene Vorteil. Und diesem Vorteile hing er derart

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