Wanderungen II. Das Oderland.
vorüberfliegt.
Der Blumenthal ist fast zwei Meilen lang und ziemlich ebenso breit. Hier und dort aber, wie schon angedeutet, unterbrechen Ackerstrecken das Revier und dringen von rechts und links her bis an die Chaussee hin vor. Ungefähr in der Mitte des Waldes treffen von Nord und Süd her zwei solcher Einschnitte zusammen und teilen den Forst in zwei ziemlich gleiche Hälften, in eine westliche und östliche oder in eine Werneuchensche und Prötzelsche Hälfte. Die erste ist die landschaftlich schönere, die andere die historisch interessantere.
Der schönste Punkt der westlichen Hälfte ist der Gamen-Grund. Hier war es, wo Schmidt von Werneuchen seine Sommer- und Familienfeste zu feiern liebte. Sein feiner Natursinn bekundete sich auch in der Wahl dieser Stelle. Sie zeigt eine besondere Schönheit, und während sonst der Bau einer Chaussee wenig zum Reiz einer Landschaft beizusteuern pflegt, liegt hier ein Fall vor, wo das Landschaftsbild durch die durchschneidende Weglinie gewonnen hat. Der Chausseebau machte nämlich, wenn überhaupt eine passierbare Straße geschaffen werden sollte, die Überbrückung des Gamen-Grundes nötig, und da die Herstellung eines Dammes als passendstes Mittel erschien, ward ein Viadukt quer durch die Schlucht geführt, der nun das Hüben und Drüben des Hügellandes verbindet. Von der Höhe dieses Viaduktes aus blickt man jetzt nach links hin in die Wassertiefe des Gamen- Sees , nach rechts hin in die Waldestiefe des Gamen- Grundes hinab. Der Vorüberfahrende fühlt sich wie gebannt, und der Eiligste hat es nicht eilig genug, um nicht ein paar Minuten an dieser Stelle zu verweilen. Beide Bilder sind schön, auch einzeln betrachtet; aber das eine steigert noch die Wirkung des andern. Nach links hin Klarheit und Schweigen. Der Gamen-See, wie ein Flußarm, windet sich in leis gespanntem Bogen zwischen den Tannenhügeln hin, und nichts unterbricht die Stille als ein plätschernder Fisch, den die Nachmittagssonne an die Oberfläche treibt. Nach rechts hin Dunkel und Leben. Aus dem Grunde herauf und bis an die Höhe des Dammes, beinahe greifbar für unsere Hände, steigen die ältesten Eichen, und während sich die Stämme in Schatten und Waldesnacht verlieren, blitzt die Sonne über die grünen Kronen hin. Allerhand Schmetterlinge wiegen sich auf und nieder, und die Vögel singen in einer Herzlichkeit, als wäre dies das Tal des Lebens und nie ein Falk oder Weih über den Gamen-Grund dahingezogen. In der Ferne Kuckuckruf. Und ein blauer Himmel über dem Ganzen.
Die Westhälfte des »Blumenthals« ist der landschaftlich schönere Teil, aber die Osthälfte ist reicher an Sage und Geschichte. Wir wandern dieser anderen Hälfte zu. Der Wald hat uns bis an ein Vorwerk begleitet, dessen Stall- und Wirtschaftsgebäude bis hart an die Chaussee treten. Jenseits derselben fängt der Wald wieder an. Dies ist die Stelle, die wir suchen. Der Weg über den Hof hin wird uns auf Ansuchen freundlich gestattet, und hinaustretend in die halb bebauten, halb brachliegenden Felder, halten wir, einige hundert Schritte weiter abwärts, vor einem mit Steinmassen überdeckten Terrain. Dies Steinfeld ist die sogenannte » Stadtstelle «.
Hier stand vor 500 Jahren das Städtchen Blumenthal, das seitdem dem ganzen Walde den Namen gegeben hat.
Die ältesten Nachrichten reichen bis auf 1375 zurück, und das Landbuch der Mark Brandenburg führt »Blumendal« noch unter den Ortschaften des Landes Barnim auf. Der Umstand aber, daß nur das Areal des Städtchens angegeben und weder von Abgaben noch Hofediensten gesprochen wird, spricht dafür, daß die Feldmark bereits wüst und wertlos zu werden begann. Die Trefflichkeit der Äcker macht es zwar wahrscheinlich, daß im Laufe der nächsten Zeit noch Versuche gemacht worden sind, die wüst gewordenen Höfe neu zu besetzen, aber diese Versuche mußten notwendig scheitern. 1348 war das große Sterben gewesen; funfzig Jahre später, als neue Kolonisten mutmaßlich eben anfingen, dem toten Ort ein neues Leben zu geben, fielen die Pommern ins Land, und wieder dreißig Jahre später ging der Hussitenzug mit Mord und Brand über »den Blumenthal« hin. In achtzig Jahren die Pest, die Pommern und die Hussiten – das war zuviel. Ein Fluch schien über den Ort ausgesprochen zu sein; er war nun wirklich tot, und das Mauerwerk zerfiel. Der Wald mit Eichen und Schlingkraut zog in die offenen Tore ein, die Malinekens rankten und blühten über Steintrog und Brunnen hinweg, und eh
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