Wanderungen II. Das Oderland.
und unsträflich behielt. Er erblickte endlich, nach langem sehnlichen Umhersehen, seinen geliebtesten Jonathan, Ihro Königliche Hoheit den Kronprinzen, am Fenster des Schlosses , von selbigem er mit höflichen und verbindlichen Worten in französischer Sprache Abschied nahm, mit nicht geringer Wehmut. 1) Er hörte ferner seine abgefaßte Todessentenz durch den Herrn Geheimrat Gerbett unerschrocken vorlesen. Da solche geendiget, nahm er vollends Abschied von denen Herren Offiziers, besonders von dem von Asseburg, von Holzendorf, und dem ganzen Kreise, empfing die letzte Absolution und die priesterliche Einsegnung mit großer Devotion, entkleidete sich selber bis aufs Hemd, entblößte sich den Hals, nahm seine Haartour vom Haupte, bedeckte sich mit einer weißen Mütze, welche er zuvor zu dem Ende bei sich gesteckt hatte, kniete nieder auf den Sandhaufen und rief: ›Herr Jesu, nimm meinen Geist auf!‹ Und als er solchergestalt seine Seele in die Hände seines Vaters befohlen, ward das erlösete Haupt mit einem glücklich geratenen Streich durch die Hand und Schwert des Scharfrichters Coblentz vom Leibe abgesondert; ein Viertel auf acht Uhr, den 6. November 1730. Dabei mir einfiel, was stehet 2. Makkabäer 7, Vers 40: ›Also ist dieser fein dahingestorben und hat seinen Trost allein auf Gott gestellt.‹ Ich nahm ferner nichts mehr wahr als einige Zuckungen des Körpers, so vom frischen Geblüt und Leben herrührten. Wenig zusammengelaufene Leute sah man außer dem Kreise, auf dem Walle und in denen Fenstern, und noch weniger von Extraktion waren zugegen, weil viele teils solches nicht geglaubet, teils nicht gewußt, teils es anzusehen Bedenken getragen.
Der Körper und Haupt ward mit einem schwarzen Tuch bedecket, bis er von denen besten und vornehmsten Bürgern dieser Stadt aufgehoben, in einen beschlagenen Sarg geleget und auf hiesigem Gottesacker in der sogenannten ›Kurzen Vorstadt‹ neben einen andern Offizier von hiesiger Garnison, so nicht lange vorher beerdigt ward, eingesenket wurde. Nachmittags um zwei Uhr.«
Dieser Gottesacker, vom »Hohen Kavalier« aus sichtbar, liegt in erheblicher Entfernung von der Stadt, jenseits der Warthe. Hier ruhte der Tote, bis der Familie zugestanden war, ihn wieder ausgraben und auf dem Rittergute Wust, in der Nähe von Jerichow, bestatten zu lassen. Wann dies geschah, ist nicht bestimmt ersichtlich. Der Sarg aber wurde nach dem genannten Gute (Wust) hinübergeführt und steht daselbst bis diesen Tag in der Familiengruft der Kattes.
Über diese Gruft selbst habe ich an anderer Stelle berichtet.
Wo stand Kronprinz Friedrich?
Wo fiel Kattes Haupt?
Diese Fragen, hundertfältig erhoben, sind bis in die neueste Zeit hinein keineswegs auch nur mit annähernder Sicherheit beantwortet worden. Erst Divisionsprediger Hoffbauer zu Küstrin ist in einer 1867 erschienenen Publikation diesen zwei Fragen gründlich nähergetreten, gründlicher als irgendwer vor ihm, und glaubt, auf die Frage 1: »Wo stand der Kronprinz?«, eine fast absolut richtige, auf die Frage 2 aber: »Wo fiel Kattes Haupt?«, eine wenigstens mit hoher Wahrscheinlichkeit richtige Antwort gefunden zu haben.
Wo stand der Kronprinz? An dem letzten Hochparterrefenster der Schloßfront, wenn man von Bastion König auf Bastion Brandenburg zuschreitet. Diese große »Front des Schlosses«, immer am Wasser hin, ist aber ein ziemlich kompliziertes Ding und besteht aus einer eigentlichen und uneigentlichen Front. Die eigentliche Front gehört dem corps de logis an. Und in dieser eigentlichen Front oder dem corps de logis befindet sich das historische Fenster nicht .
An das corps de logis lehnt sich indessen rechtwinkelig noch ein architektonisch unvermittelter Seitenflügel, dessen Giebel nunmehr den Eindruck macht, als gehöre er mit in die große Wall- und Wasserfront des Schlosses hinein. Dieser Eindruck würde noch entschiedener sein, wenn erwähnter Seitenflügelgiebel nicht um ein paar Schritte zurückträte , so daß wir, in ein paar Linien ausgedrückt, nebenstehendes Bild gewinnen. [Image]
An der offengelassenen und mit einem F. (Fenster) bezeichneten Stelle dieses Seitenflügelgiebels oder, was dasselbe sagen will, dieses uneigentlichen Teiles der gesamten Schloßfront stand der Kronprinz.
Dafür, daß es gerade dieses Zimmer und kein anderes war, sprechen – neben der in Küstrin lebendig gebliebenen Tradition – einerseits die Angaben des Generals von Münchow ( Sohnes des
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