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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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Ruhestand. Angenehmer Bursche. Er war geschieden und auf der Suche nach Liebe, das hat er mir jedenfalls erzählt. Fünfunddreißig Jahre lang war er verheiratet, dann hat sich seine Frau einen Batzen Bargeld geschnappt und ist mit seinem Bruder durchgebrannt. Schien ihn aber nicht übermäßig verbittert zu haben. Wir hatten reichlich Zeit, das ausführlich zu diskutieren, damals, als er noch einen Mund besaß. Zu guter Letzt hat er sich den Einheimischen angeschlossen. Passiert ist es gestern Abend, just in dem Moment, als die Lichter ausgingen. Er sah mich an, eben war er noch Casper und schon im nächsten Augenblick nicht
mehr. Er war einer von denen geworden, stumpfsinnig, leer. Der glückliche Mistkerl. Wir alle hier an diesem Tisch beten für dasselbe, für den frohen Tag, an dem das alles hier endlich vorbei ist. Ich hätte nie gedacht, dass es so weit kommen würde, dass mir mein Leben jemals so verhasst sein würde.«
    Sie hörte ein leises Schlurfen, das Scharren eines Stuhls, der zur Seite gestoßen wurde.
    »Das ist er«, sagte der Geber. »Casper, er liegt gleich da drüben an der Wand. Ab und zu bewegt er sich noch.«
    »Was tut er da?«
    »Es zieht ihn fort. Möchten Sie vielleicht zusehen? Früher oder später schließt sich jeder der Herde an.«
    Der Geber erhob sich. Seine eine Gesichtshälfte bestand aus geriffeltem Metall wie geschmolzenes Wachs. Seine Wange war zerlaufen und reichte bis über seine Fliege und Jackettaufschläge. Ansonsten schien er unverändert.
    »Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren«, bat er seine Mitspieler. Sie waren so weggetreten, ihre Mutation so weit fortgeschritten, dass sie kaum noch den Kopf drehen konnten. Ihre Gesichter waren zu einer Maske aus Blut und Borsten erstarrt. Mit ihren Blicken folgten sie Rye und dem Kartengeber, als diese sich zum Gehen erhoben. »In ein paar Minuten sind wir wieder zurück.«
    Casper kroch langsam Richtung Tür; seine Beine schienen unbrauchbar, sein rechter Arm war mit seinem Körper verschmolzen. Er krallte seine Fingernägel in den edlen Teppichboden und zog sich Stück für Stück durch die Doppeltür auf einen Flur hinaus. Dort schob er sich über den kalten Linoleumboden, Rye und der Geber im Schlepptau.
    Langsam schleppte er sich durch den Flur, erreichte
schließlich den Treppenschacht und begann, sich die Stufen hinaufzuwinden.
    »Wo will er bloß hin?«, fragte Rye.
    »Ich werde es Ihnen zeigen.«
    Sie ließen Casper hinter sich zurück, stiegen drei Treppenfluchten hinauf und fanden sich im Rücken einer Menschenmenge wieder. Zwanzig oder dreißig Passagiere drängelten sich vor einer abgeschlossenen Tür und kratzten und strichen über das Metall.
    »Das ist es, wo es sie hinzieht«, sagte der Geber. »Zu den Barrikaden. Wenn unsere Zeit gekommen ist, werden wir zu ihnen stoßen.« Er führte sie näher an die Tür heran. »Bleiben Sie einfach einen Moment stehen und schließen Sie die Augen. Spüren Sie das? Können Sie den Sog fühlen?«
    Rye schloss die Augen. Ja, sie spürte es, ein Prickeln auf der Haut wie von Hitze. Sie wandte den Kopf, wie um ihr Gesicht der Sonne zuzuwenden. »Ja, ich kann es spüren.«
    »Blutmusik, so nennen sie es.«
    Sie drängte sich durch die Menschenmenge und wandte sich der Tür zu. Strich über das Metall.
    Sie konnte die Besatzung der Plattform spüren, konnte sie auf der anderen Seite der Luke riechen. Ihr Speichelfluss wurde angeregt.
    Frischfleisch.

28 – Mörder
    Mal lag auf dem Deck des Bootshauses. Man hatte seinen Körper eine Woche lang in dem ungeheizten Schuppen eingelagert, weil es dort zu kalt für den Verwesungsprozess war, sodass sein in ein Leichentuch gehüllter Körper mittlerweile vollständig gefroren war und steif wie ein Brett.
    Jane, die früher ganz in der Nähe des River Severn gelebt hatte, hatte dort am Flussufer des Öfteren aufgedunsene Leichen gesegnet, die man aus den Fluten zog. Die Brücke über den Severn war bei Selbstmördern beliebt; nicht selten wurden von Faulgasen aufgetriebene Leichen flussabwärts im Wattenmeer angeschwemmt, wo die Möwen an ihnen herumpickten, bis die Froschmänner der Polizei sie schließlich an Land zogen.
    Mal würde Richtung Süden treiben und vermutlich an der Küste Norwegens angeschwemmt werden.
    Jane beschloss, ein verschließbares Plastiktütchen mit seinem Siegelring, seinem Medaillon und seinem Pass in sein Leichentuch zu packen, schrieb dann alles auf, was sie über den Mann wusste, Informationen aus seiner

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