Wandlung
für den Neustart des Raffinationsprozesses. Jane las sie von einer alten Gehaltsabrechnung ab.
SICHERHEITSHINWEIS
MÖCHTEN SIE DEN VORGANG FORTSETZEN
JA/NEIN
Ghost steckte die Schlüssel in die Hauptkonsole. »Wir müssen beide Schlüssel gleichzeitig umdrehen.«
»Haben wir etwa vor, eine Rakete zu starten?«, fragte Jane.
»Du erinnerst dich doch an Tschernobyl, damals, als ein paar gelangweilte Techniker beinahe halb Europa in Schutt und Asche gelegt hätten? Das hier ist der weltgrößte Merox-Raffinationstank. Ein Druck auf den falschen Knopf, und wir verseuchen womöglich die gesamte westliche Hemisphäre.«
Sie drehten die Schlüssel herum.
VOLLSYSTEMREINIGUNG WIRD
DURCHGEFÜHRT
Auf dem Monitor begann ein zehnminütiger Countdown.
»Wozu das?«, wollte Jane wissen.
»Weil wir die Raffinerie soeben aufgefordert haben, einen idiotischen Fehler monumentalen Ausmaßes zu begehen, und sie uns bittet, dies noch mal zu überdenken.«
Punch wachte auf und hatte große Mühe, die Augen aufzuschlagen. Aufgrund einer Platzwunde auf seiner Stirn waren seine Wimpern mit getrocknetem Blut verklebt.
Er war an Händen und Füßen gefesselt, die Arme hatte man ihm mithilfe einer Nylonschnur auf den Rücken gebunden. Die Schnur schnitt wie Draht in seine Handgelenke. Um die Blutzirkulation anzuregen, bewegte er seine Hände hin und her.
Er lag in einem kahlen Raum unter einem flackernden Neonlicht auf dem Fußboden. Wände und Decke waren aus Beton, der Fußboden bestand aus kalten grünen Fliesen. Er nahm an, dass er sich im Bunker befand.
Als er versuchte, sich auf die Seite zu wälzen, um seine Hände freizubekommen, fühlte er, wie Blut in seine Handflächen rann.
Die Tür wurde geöffnet; er sah kleine Schneestiefel, blaue Thermo-Hosen. Als er mit einem Bein wild um sich trat, bekam er einen Fußtritt ins Gesicht. Er spuckte Blut und blickte auf. Über ihm stand Nikki; sie ging in die Hocke und überprüfte seine Fesseln.
»Wo bin ich?«
»Was glaubst du denn, wo du bist?«, fragte Nikki. Ihre Stimme klang ruhig und freundlich.
»Was zum Teufel wird hier gespielt? Lässt du mich jetzt gehen, oder was?«
»Es wird einen Austausch geben«, erklärte sie. »Ich werde dich gegen Lebensmittel und Brennstoff eintauschen.«
»Lebensmittel, für was denn? Wo willst du überhaupt hin?«
»Darüber würde ich mir an deiner Stelle nicht allzu sehr den Kopf zerbrechen.«
»Wo ist dein Freund? Wo steckt Nail?«
»Ganz in der Nähe.«
»Schneid mich los.«
»Noch nicht.«
»Fick dich ins Knie, Nikki.«
»Du willst doch hier raus, oder?«
»Du lügst mich an. Lebensmittel und Treibstoff, Blödsinn. Ich habe keine Ahnung, was du vorhast, aber es wird nicht funktionieren.«
»Jane wird einen Beweis dafür haben wollen, dass du noch lebst. Nenn mir irgendwas, das nur Sian wissen kann.«
»Hilf mir auf.«
»Nein.«
»Mach schon. Ich muss kacken.«
»Tu dir keinen Zwang an.«
»Ich blute.«
»Dann blutest du eben.«
»Fick dich ins Knie, Nikki. Ich meine es ernst.«
Nikki ging, die schwere Tür fiel ins Schloss, man hörte, wie ein Schlüssel herumgedreht wurde, dann entfernten sich Schritte in einem Flur.
Punch wand sich über den Fußboden zur Wand und versuchte aufzustehen. Vielleicht konnte er sich auf Nikki werfen, wenn sie das nächste Mal durch die Tür hereinkam, sie mit einem kräftigen Kopfstoß außer Gefecht setzen, sie irgendwie zu Fall bringen und ihr ein Knie auf die Kehle drücken. Sie hatte nahezu sicher ein Messer in der Tasche; er würde sich losschneiden und irgendwie zur Rampart zurückfinden.
Er verlor das Gleichgewicht und fiel hin, stieß sich dabei Kopf und Schulter. Er blieb liegen und starrte die Wand an, während ihn ein Gefühl von Hoffnungslosigkeit überkam.
Eine Stunde darauf kam Nikki zurück. Sie ging neben ihm in die Hocke. Punch vermied es aufzusehen.
Einen Lebensbeweis. »Meine Lieblingscomicfigur ist John Constantine. Als ich jung war, kaufte ich mir einen Trenchcoat und rauchte Marlboros aus der Papierpackung, um so zu sein wie er.«
Nikki tätschelte ihm die Schulter, dann hörte er, wie die Tür wieder geschlossen wurde und sich ein Schlüssel im Schloss drehte.
Jane klopfte an Sians Zimmertür. »Sian? Hallo, jemand zu Hause?«
Keine Antwort. Sie probierte die Tür, es war nicht abgeschlossen. Das Zimmer lag im Dunkeln und war nur schwach von dem Licht erleuchtet, das aus dem Flur hereinfiel. Sian lag zusammengerollt auf ihrer Koje und starrte an
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