Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
Vom Netzwerk:
die Wand, die Arme um das Kopfkissen geschlungen.
    »Tut mir leid, dass ich hier so hereinplatze«, sagte Jane. »Ghost meinte, wir sollten beide kommen und uns das Feuerwerk ansehen.«
    »Was denn für ein Feuerwerk?«
    Jane zuckte die Achseln. »Das wollte er nicht verraten, er tut sehr geheimnisvoll. Aber er scheint sehr aufgeregt zu sein, vielleicht sollten wir ihm einfach den Gefallen tun.«
    Erschöpft setzte Sian sich auf, knipste ihre Lampe an und zuckte in der plötzlichen Helligkeit zusammen. Sie schnürte sich die Stiefel zu.
    Jane hätte sich gern ein wenig unterhalten, doch sich nach Sians Befinden zu erkundigen, hatte wenig Sinn. Sie hatte nicht mehr zu bieten als ihre Gesellschaft, das und ein wenig Small Talk. »Wir haben noch eine Schachtel Trockeneikonzentrat von der Hyperion . Hast du nachher vielleicht Lust auf ein grauenhaftes Omelett?«
    »Ich will bloß eine Weile meine Ruhe haben, Jane. Eigentlich möchte ich überhaupt nichts.«
    Jane kannte sich ein wenig aus mit Verlusten; nicht sehr, sie hatte noch nie an einem Grab gestanden und geweint. Aber sie hatte einen Freund an der Uni gehabt, Mark. Er hatte ihr wegen eines schlankeren Mädchens den Laufpass gegeben – und zwar per SMS. Kurz darauf hatte sie die beiden Arm in Arm auf dem Campus herumspazieren sehen. Die ersten paar Tage mit gebrochenem Herzen waren die Hölle. Jane lief herum, den Kopf
voll düsterer Gedanken, fühlte sich, als würde sie ertrinken, stand im Supermarkt in der Schlange und versuchte, sich lässig zu geben, dabei hatte sie größte Mühe, nicht loszuschreien und in Tränen auszubrechen. Angeblich, so ihre Freunde, würde der Kummer mit der Zeit nachlassen, würde sie jeden Tag ein bisschen weniger an ihn denken. Allerdings machte das Wissen, dass sie eines Tages in seinen Briefen stöbern und nichts dabei empfinden würde, ihren Verlust doppelt unerträglich.
    »Wir sollten nachher in die Kantine gehen«, sagte Jane. »Ich will dich im Monopoly schlagen.«
    »Danke, ich verzichte.«
    »Nein, wirst du nicht, du wirst Monopoly spielen, anschließend wirst du mir dabei zusehen, wie ich ein Omelett zubereite, und dann wirst du den Abwasch machen, klar? Das Leben geht weiter.«
     
    Ghost brachte sie zum Deck C und hob eine Bodenluke an.
    BETRETEN NUR MIT SICHERHEITSGURT
    Böige Windstöße, durchsetzt mit Eispartikeln.
    Sie stiegen eine Leiter hinunter und fanden sich auf einem Inspektionsgang wieder, der unter der Bohrinsel hing, über ihren Köpfen kilometerlange Rohrleitungen und Tragekonstruktionen, unter den Füßen ein Gitter und darunter zweihundert Meter freier Fall bis auf das Eis.
    Ghost sah auf seine Armbanduhr. »Gleich kommt’s, jede Sekunde jetzt.«
    Ein Schaudern durchlief die Raffinerie, Eiszapfen und Schneebretter gingen ab. In den Rohren über ihren Köpfen knackte und sang es.

    »Die Lagertanks sind leer«, erklärte er, »aber in den Rohrleitungen befindet sich noch jede Menge hochoktaniges Destillat. Ich habe die Einfüllpumpen auf Umkehrschub geschaltet, gleich wird sich das gesamte System selbst ausspülen.«
    Eine Flüssigkeit ergoss sich aus einer gewaltigen Rohrmündung unter dem Bauch der Raffinerie, dem eingezogenen Meeresgrundnabelstutzen; es sah aus, als leerte die Rampart in einem Sturzbach aus teilveredeltem Treibstoff ihre Blase. Erst war es nur ein Kleckern, dann ergossen sich in einem satten Schwall Tausende Gallonen halb gereinigten Öls auf die polare Eisschicht.
    »Riecht ihr das?«, fragte Ghost. »Purer Raketentreibstoff.« Er zog eine Leuchtpistole aus seiner Tasche und schob eine Patrone in den Verschluss. »Das wird ein Knüller werden.«
     
    Nikki stand am Ufer und schaute zu, wie der Ozean brannte. Gespenstisch tanzten blaue Flammen über der Insel und tauchten sie in lavendelfarbenes Licht, und das Meer kochte mit einem leisen Zischen.
    Hoch über den Flammen erblickte sie die Türme und Träger der Rampart, von deren Aufbauten geschmolzenes Eis herabtropfte und sich in Brocken löste. Die Raffinerie glich einer Zitadelle des Satans, einer zerklüfteten Festung inmitten der Hölle.
    Nikki sank auf die Knie und verfolgte das Schauspiel voller Ehrfurcht. Dann, in einem überschwänglichen Moment gesteigerter Wahrnehmung, kam sie sich vor wie eine Astronautin, die mit Lichtgeschwindigkeit aus dem Sonnensystem ins unbekannte All katapultiert wurde, wo jeder Tag fremde und wundersame Ansichten von Sternenstaub und Nebeln mit sich brachte und
sie eine Million Meilen weiter weg

Weitere Kostenlose Bücher