Wandlung
Seiten von einem engen, geschlossenen Raum umgeben, das müsste die Sprengwirkung auf einen Punkt konzentrieren. Dürfte einen verdammt gewaltigen Rumms geben, wenn es hochgeht.«
Ehe der Sprengstoff zu hart gefror, drückte er mit dem Daumen Plastiksprengkapseln in die Masse und machte sämtliche Ladungen mithilfe von Mülltüten wetterfest.
»Was willst du als Zündkabel verwenden?«, fragte Jane.
»Wir isolieren ein Stück Draht von den Verlängerungskabeln ab, das ist keine große Sache. Alles, was wir benötigen, ist ein ausreichend langes Stück Kupferdraht, das einen einzelnen sechs Volt starken Impuls überträgt. Klick und Peng.«
Sie kehrten in die Kantine zurück und spleißten Drähte aneinander. Auf dem Resopaltisch stapelten sich Heizstrahler, Luftentfeuchter und Computer, die Gehäuse
mit dem Schraubenzieher aufgestemmt, die Netzkabel abisoliert, eingerollt und zu Stapeln aufgeschichtet.
»Für jeden Sprengsatz benötigen wir ungefähr zweihundertundfünfzig Meter. Wir verlegen die Kabel zu einem zentralen Punkt. Alle drei Sprengladungen müssen gleichzeitig gezündet werden; wenn wir die Trossen nacheinander sprengen, wird die letzte das volle Gewicht der Bohrinsel aufnehmen und dadurch so gewaltig unter Zug geraten, dass wir den Stift auf keinen Fall mehr herausbekommen werden.«
»In Ordnung.«
»Keinen Pfusch und keine Bruchstellen innerhalb der Kabel. Wir haben nur einen einzigen Versuch bei dieser Geschichte. Einen zweiten wird es nicht geben.«
Der Sturm legte sich. Sie schlangen sich die Kabel über die Schulter und begaben sich nach draußen.
Jane half Ghost dabei, die Kabel von den einzelnen Sprengsätzen zu verlegen, zusammen rollten sie Litzen entlang der Laufgänge und über die Metalltreppen ab, befestigten den Draht dann mit Klebeband an Metallträgern und Geländern. Im Pumpenhaus, einem kleinen Kabuff, in dem die Überwachungsgeräte für die drei großen Destillationstanks untergebracht waren, liefen die Drähte zusammen.
Sie schlugen ein Fenster ein und führten die Kabel ins Innere. Um sie gegen die Druckwelle abzusichern, verklebte Ghost die restlichen Fenster mit einem Geflecht aus Gewebeband und legte drei Paar Ohrenschützer auf einem Schreibtisch bereit.
Es folgte eine letzte Kontrolle, um sich zu vergewissern, dass die Sprengladungen korrekt angebracht waren und der Zünddraht keinerlei Unterbrechungen aufwies.
»Was für ein wundervoller Himmel«, sagte Jane. Sie
schlug ihre Kapuze zurück und reckte den Kopf, um den sternenübersäten Himmel zu betrachten. Ganz im Osten war ein zarter rosa Hauch zu erkennen. Dämmerung.
Sie ließ den Blick über die Raffinerie schweifen, ein Kristallpalast unterschiedlicher Weißkontraste aus vereistem Stahl, eisverkrusteten Querträgern und Gerüsttürmen, reifbedeckten Speichertanks und Kranauslegern voller Eiszapfen. Jede nach Norden gerichtete Fläche war überfroren und glasiert.
»Was glaubst du, lungert Nail hier irgendwo herum?«, fragte Jane.
»Halt die Augen nach Fußabdrücken offen«, sagte Ghost. »Ich bezweifle, dass er die Ankertrossen hinaufklettern könnte, aber er ist verzweifelt genug, es zu versuchen.« Er hob seinen Stiefel an und zeigte auf die Sohle. »Wir haben ein Zickzack-Profil, klar? Alles andere stammt von ihm.«
Unter einigen Mühen schraubte Ghost den Verschluss seines Flachmanns mit einer behandschuhten Hand auf und nahm einen kräftigen Schluck.
»Bin gleich wieder da, in Ordnung?«
Während der letzten Stunde hatte sich Ghost alles genau überlegt. Dies war ihre letzte Chance, von hier fortzukommen. Falls sie die Ankertrossen nicht lösten, würden sie endgültig hier oben auf dem Dach der Welt festsitzen. Noch ein paar Wochen, dann würden Lebensmittel und Brennstoff zur Neige gehen, und sie sähen sich zwangsläufig vor die Wahl gestellt, sich entweder die Kehle durchzuschneiden oder sich auf einen langen Marsch durch den Schnee zu begeben. Er sah seinen Leichnam bereits hoch oben auf einem Gerüst mit Blick aufs Meer, ein grinsender Toter, die Klinge noch in der Hand. Vielleicht würde Janes mumifizierter Leichnam
neben ihm sitzen und ihm sein skelettiertes Händchen halten.
Er begab sich zu einer Ecke der Bohrinsel und nahm eine Handvoll Sprengstoff aus seiner Tasche. Einen kleinen Klumpen C4 hatte er für einen zweifelhaften Plan übrig behalten. Sollten sich die Ankertrossen nicht lösen, könnte er eine kleine Sprengladung präparieren und unter einen der Kantinentische kleben. Er
Weitere Kostenlose Bücher