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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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ihr Körper war gefühllos.
    Sie war noch immer Elizabeth Rye, sie war bei klarem Verstand und sehnte sich nach Wahnsinn, wünschte sich verzweifelt, ihr Bewusstsein würde endlich schwinden.
    Während der Leichenöffnungen, die sie an Bord der Rampart vorgenommen hatte, hatte sie beobachten können, wie dieser merkwürdige Parasit von dem Nervensystem seiner Opfer Besitz ergriff. Daher wunderte sie sich, wieso ebendiese metallischen Fäden bislang noch nicht bis in ihre Synapsen vorgedrungen waren und ihr Erinnerungsvermögen und ihre Gefühle abgewürgt hatten. Sie sehnte sich nach Abgestumpftheit und Gedankenlosigkeit. Sie hatte erwartet, ihr Körper würde, lange nachdem ihr eigenes Bewusstsein die leere Hülle aufgegeben hätte und angetrieben von diesem seltsamen Organismus, noch wochenlang auf dem Schiff umherwandern. Doch gekommen war es anders, sie war immer noch präsent und bei Bewusstsein.

    Die meisten Passagiere hatten sich zu dem riesigen Foyer hingezogen gefühlt. Rye schlenderte durch menschenleere Restaurants, ein verwaistes Kino, einen Spielbereich für Kinder mit Rutsche und Bällebad.
    Für ein paar Stunden vergnügte sie sich im Sportzentrum und spielte Tischtennis gegen eine Wand. Ihr mutierter Körper hatte sich eine gute Beweglichkeit bewahrt.
    Sie warf Bälle auf einen Korb, schaltete den Golfsimulator ein und drosch Golfbälle über ein digitales Fairway.
    Sie entdeckte einen Mini-Nachtklub, Musik spielte dort keine, aber die Discokugel drehte sich noch. Auf der Tanzfläche spielte sie »Himmel und Hölle«, die Bodenfliesen leuchteten auf, sobald sie darauf trat.
    Sie wunderte sich, wohin die anderen Passagiere alle verschwunden waren.
     
    Rye machte die Krankenstation ausfindig. Vielleicht bestand ja die Möglichkeit, Morphium auf eine Spritze zu ziehen und sich wie einen kranken Hund selbst einzuschläfern. Man versetzte den Stoff mit Chlorbleiche und einem Ofenreiniger, drückte den Kolben herunter und fühlte sich gut, dann noch ein Stückchen weiter, lehnte sich zurück und wartete ab, bis die Laugen einem das Gehirn verätzten.
    Ein Freund von der medizinischen Fakultät hatte einen Job auf einem Kreuzfahrtschiff angenommen, er schob dort eine ruhige Kugel, aß, flirtete, schwamm. Er brauchte nichts weiter zu tun, als auf die codierten Durchsagen der Lautsprecheranlage zu lauschen. »Dr. Jones, bitte an das weiße Gästetelefon.« Dies bedeutete, dass er auf die Krankenstation kommen sollte. »Dr. Jones, bitte an das rote Gästetelefon.« Man rief ihn wegen eines Notfalls
dorthin. Gefürchtet war die Nachricht: »Dr. Rose, bitte in der Neptun Bar melden.« Rose war das Codewort für Schlaganfall. Die meisten Passagiere waren fortgeschrittenen Alters, und das bedeutete pro Kreuzfahrt mindestens eine Herzattacke: Jemand lag ausgestreckt auf dem Teppichboden des Restaurants und lief bereits blau an. Der Arzt hatte sich seinen Reanimationskoffer zu schnappen und die Beine in die Hand zu nehmen.
    Rye folgte den Hinweisschildern zur Krankenstation, Pfeile neben einem kleinen roten Kreuz.
    Sjukhus
    Die Krankenstation war geplündert worden, Instrumente lagen verstreut auf dem Fußboden herum, Haufen von blutigen Bettlaken auf dem Untersuchungstisch, die Wände blutbespritzt. Es sah aus, als habe eine OP-Einheit der Armee Hunderte von Schlachtfeldopfern behandelt und hinterher alles stehen und liegen lassen. Offensichtlich hatte der Bordarzt der Hyperion bei seinem Versuch, die infizierten Passagiere zu behandeln, bevor er selbst der Krankheit erlag oder in Stücke gerissen wurde, wahre Heldentaten vollbracht.
     
    Rye verspürte ein Hungergefühl und folgte den Hinweisschildern mit dem Sombrero darauf zum Tex Mex Grill. Sie hatte Lust auf ein paar knusprige Nachos.
    Sie stieg eine Treppe hinauf, lief einen Flur entlang, bis ihr eine wasserdichte Tür den Weg versperrte, eine der schweren Stahlluken, die augenblicklich einem Fallgatter gleich herabgelassen worden waren, als die Hyperion auf Grund lief und leckschlug.
    Rye hielt ihr Ohr an die Luke und konnte leise Musik
hören: »Gimme Shelter«, dazu gedämpfte Stimmen, Männer, die sich unterhielten, lachten. Auf der anderen Seite der Tür befand sich die Besatzung der Rampart; offenbar hatten sie den Grill mit Beschlag belegt.
    Ein überwältigendes Gefühl von Einsamkeit überkam Rye, sie lehnte sich gegen eine Wand und weinte.
     
    Das Kasino war eine vornehme Spielhölle mit ein paar Roulettekesseln, einem Würfeltisch sowie einer

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