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Wandlung

Wandlung

Titel: Wandlung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A Baker
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der Plattform.«
    »Kein Mensch interessiert sich für deine kleinen Gesten. Zieh rüber zu den anderen und lass es dir gut gehen.«
    »Hast du ihm schon einen Namen gegeben?«
    »Dem Boot? Das ist bloß ein Haufen Nieten und Bolzen. Die Dinge sind, was sie sind.«
    »Ein Boot braucht einen Namen.«
    »Ich habe keine Lust, der Poesie in meiner Seele nachzuspüren, habe keine Lust, meine verloren gegangene Menschlichkeit wiederzufinden. Ich gebe mir alle Mühe, die Dinge realistisch zu sehen, wahrscheinlich bin ich
deshalb schon wieder halb zu Hause, während ihr noch immer in diesem stählernen Grab festsitzt.«
    »Was wirst du tun, wenn du auf Land stößt? Hast du schon mal darüber nachgedacht?«
    »Überleben, im souveränen Staat meines Selbst. Das wird die pure Glückseligkeit.«
    »Wie ist das Wetter?«
    »Einigermaßen ruhig. Es geht ein schneidender Wind. Ich scheine gut voranzukommen. Die Geschwindigkeit ist schwer einzuschätzen, aber es herrscht eine kräftige Strömung.«
    »Deine Position?«
    »Nach meinen Berechnungen befinde ich mich nordwestlich von Murmansk. In den nächsten paar Tagen müsste die Strömung mich an Norwegen vorbeitreiben, aber bis dahin werde ich längst keinen Funkkontakt mehr haben.«
    »Bleib gesund. Und weiterhin viel Glück. Ich werde morgen wieder mit dir sprechen.«
     
    Nikki schlief auf ihrer Koje. Der Rumpf war mit Vorräten vollgestopft, Kartons voller Lebensmittel, Taschen mit Kleidungsstücken, die sie beiseitegeschoben hatte, um so einen engen, sargähnlichen Raum zu schaffen, in dem sie sich in einen Schlafsack gehüllt ausstrecken konnte. Die Aluminiumdecke des Rumpfs befand sich unmittelbar über ihrem Kopf. Im Dunkeln lauschte sie auf ihren eigenen Atem, der in dem engen Raum laut und harsch klang.
    Ein Aufprall, ein metallisches Scharren seitlich gegen den Bootsrumpf. Ein Eisberg, ein Wal?
    Sie schlug die Einstiegsluke zurück. Das Wasser war voller seltsamer Formen, Zusammenballungen von Brocken,
die an große treibende Eisstücke erinnerten. Sie schaltete ihre Stablampe ein und suchte die Meeresoberfläche ab. Das Meer war voller treibender Autos, weißer Nissan Navaras, eine wogende Schicht aus glänzendem Metall, in dem sich das Mondlicht spiegelte. Einige der Lieferwagen waren gekentert, sodass das Wasser über verzinkte Chassis und Leichtmetallfelgen schwappte. Offenbar hatte ein Frachter seine Ladung verloren, waren Frachtcontainer von Deck gespült worden und beim Aufprall auf die Wasseroberfläche auseinandergebrochen. Die in den Autos enthaltene Luftmenge reichte aus, um sie über Wasser zu halten.
    Wann immer die Fahrzeuge gegen das Boot stießen, vernahm Nikki das Kreischen von Metall und befürchtete, durch die unablässigen Zusammenstöße mit den Autos könnte der Rumpf einen Riss bekommen. Eine volle Stunde kletterte sie auf dem Boot hin und her und streckte sich, um die Autos mit den Füßen fortzuschieben. Mithilfe einer kurzen Leine hatte sie sich am Mast angebunden, um sich im Falle eines Sturzes ins Wasser sofort wieder an Bord ziehen zu können.
    Nachdem sie den Auto-Teppich hinter sich gelassen hatte, lehnte sie sich mit dem Rücken an den Mast und verschnaufte.
    Überleben.
    Hatte man erst einmal alles abgestreift, den Job, die persönlichen Bindungen, seinen Namen und seine Herkunft, was blieb dann noch? Nur die Tatsache, dass sie, während sie hilflos auf dem weiten Ozean trieb, am Leben und bei Bewusstsein war.
    Sie machte das Funkgerät an.
    »Hallo? Hallo? An alle Schiffe. Können Sie mich hören?«

    Sie vernahm die Stimme eines Mannes, ein ruhiges und bedächtiges Gemurmel, einzelne Worte konnte sie nicht unterscheiden. Es handelte sich um irgendeinen Funkspruch, der, mal schwächer, dann wieder deutlicher, tagelang zu hören war.
    Sie blickte zum Horizont. Die azurblaue Färbung des fernen Tageslichts war von einer dichten Wolkendecke durchzogen. Ein Sturm hielt auf sie zu.
    Nikki streckte und sammelte sich, bereitete sich auf ihren nächsten Gegner vor wie ein Boxer, der auf das Einläuten der ersten Runde wartet.

27 – Die Verdammten
    Von den Lichtern der Hyperion angezogen, überquerte Rye die Insel und durchstreifte die unteren Decks des Schiffs. Mittlerweile hatte sich die Infektion über ihre gesamte rechte Körperhälfte ausgebreitet, ihr Fleisch war blasig und skabrös, metallische Borsten durchstachen die Haut ihres rechten Arms, ihres rechten Beins und der Hüfte und bohrten sich durch ihre Kleidung. Weh tat es nicht,

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