Wandlung
schob sich mit einer Körperdrehung näher an die Cockpitkuppel und filmte den Schaden. Beim Zusammenstoß der Hyperion mit der Rampart waren mehrere Schweißnähte gerissen.
»Bring uns näher ran«, sagte Nail.
Sie näherten sich dem Riss; die Rumpfplatten bogen sich zurück wie Blütenblätter.
»Kriegen wir da drinnen etwas mehr Licht?«
»Vermutlich sieht es schlimmer aus, als es ist«, sagte Gus. »Würde sich dieser Riss über die gesamte Länge des Schiffs erstrecken, säßen wir in der Klemme. Kannst du das empfangen, Jane?«
»Ja, wir haben es auf dem Monitor. Allem Anschein nach haben wir mehrere wasserdichte Abteilungen verloren, aber noch ist das Schiff stabil. Wenn wir bis zur Schneeschmelze im Frühjahr warten und den Rückwärtsgang einlegen, könnten wir es wieder flottkriegen.«
»Was ist denn das?«, sagte Nail und schob sich näher an das Glas heran.
»Wo?«
»Gleich da drüben.«
Gus richtete die Bogenlampen neu aus.
»Gütiger Himmel.«
Jenseits des Risses, tief in den Schatten der gefluteten Abteilung, trieb, die Arme ausgestreckt, ein Körper, ein Mann in einem Overall. Irgendein Mechaniker.
»Zieh ihn aus dem Weg«, sagte Nail. »Mal sehen, wie tief der Riss reicht. Ich möchte ihn auf strukturelle Schäden untersuchen.«
Gus veränderte seine Sitzposition, ergriff den Steuerknüppel und fuhr den Steuerbord-Greifer aus. Der mehrgelenkige Arm langte in das Innere des Rumpfs hinein, die Titangreifzangen drehten und öffneten sich. Gus packte den Kopf des Toten und zog ihn durch den Riss nach draußen.
Dann brachte er ihn näher vor das Cockpitfenster. Das
Gesicht war eingerahmt von stählernen Fingern, das Haar des Toten wirbelte in der Strömung umher.
»Lange ist er noch nicht tot«, sagte Gus. »Ich bezweifele, dass er getötet wurde, als die Hyperion auf Grund lief. Ich wette, er ist erst während der letzten Tage aus Versehen in die geflutete Abteilung hineingeraten.«
»Keinerlei Anzeichen einer Infektion.«
Der Tote schlug die Augen auf und starrte Nail direkt ins Gesicht. Die Augäpfel waren pechschwarz.
Gus drückte auf SCHLIESSEN. Mit einer schneidenden Bewegung schlossen sich die Greiferklauen. In einer Wolke aus Blut und Hirngewebe platzte der Kopf des Mechanikers ab.
26 – Die Fahrt
Nikki ließ sich von der Dünung tragen. Sieben Tage war sie nun auf See, sieben Tage Dunkelheit, allein von den Sternen beschienen. Es war, als segele man durchs All.
Geschlafen hatte sie kaum, nur manchmal hatte sie sich einen kurzen Augenblick der Ruhe gegönnt, da sie sonst befürchtete, am Ruder einzunicken und in kürzester Zeit zu erfrieren.
Das Boot war mit einer Eisschicht bedeckt, es herrschte grimmige Kälte. Ein sachter Seegang war aufgekommen, das Wetter schlug langsam um, und Wolken verdunkelten den hell gesprenkelten Sternenhimmel. Turbulenzen von Norden, die rasch an Stärke gewannen, trieben sie vor sich her. Das Boot war gebaut, um einem Sturm standzuhalten, und sobald das schlechte Wetter sie einholte, konnte sie die Segel reffen und sich selbst unter Deck einschließen. Sie würde wie ein Korken auf und ab tanzen, während das Boot über berghohe Brecher und durch Wellentäler trieb. Wenn die Nieten und Schweißnähte hielten, würde sie überleben.
Sie stand im Cockpit und aß trockenes Müsli aus der Packung, das sie mit Schlucken Wasser hinunterspülte. Das Ruder war mit Nylonschnur festgezurrt.
Ein kalter blauer Dunstschleier begann, den südlichen Himmel zu erhellen. Irgendwo weit jenseits des Horizonts war es Tag. Die Navigation war einfach, ein Kompass
nicht erforderlich. Sie brauchte nichts weiter zu tun, als auf das Licht zuzuhalten.
Nikki trug drei Fleecejacken übereinander und darüber eine Kälteschutzfolie. Sie war seit zwei Wochen auf See und stank, da sie weder sich selbst noch ihre Kleidung waschen konnte.
Sie trieb auf den Wellen. Wenn das Wetter weiterhin ruhig blieb, würde sie sich unter Deck einschließen und ein Stündchen schlafen. Um die Wärme zu konservieren, war der aus Stahl und Aluminium bestehende Rumpf des Bootes mit Styroporblöcken ausgekleidet worden.
Um sie herum war nur das mahlende, reibende Geräusch von Eisschollen zu vernehmen.
»Nikki? Kannst du mich hören, Nikki?« Janes Stimme.
Das Funkgerät hing in einem Stoffbeutel unter der Einstiegsluke. Nikki sprach in einen Hörer wie von einem Bakelittelefon.
»Wie läuft es, Jane?«
»Die Besatzung ist auf die Hyperion übergesiedelt. Ich bin jetzt allein auf
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