Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
Vom Netzwerk:
Frauen einander die Klinke reichen. Das war auch so einer. Und auch in jedem Frauenleben klopfen die Männer an. Es gibt Männer, die wenigstens fragen: »Ist es gestattet? Bloß für einen Augenblick.« Dumme Frauen beginnen bei solcher Gelegenheit empört zu kreischen, was das für eine Frechheit sei, was das heißen soll: »Bloß für einen Augenblick«? Und sie knallen die Tür zu. Nachher bereuen sie ihre vorschnelle Empörung. Sie drücken ein Auge an den Türspalt, um zu sehen, ob der freche Mann vielleicht noch dort steht, mit dem Hut in der Hand. Und wenn sie sehen, daß er fort ist, sind sie verstimmt. Und später, sehr viel später vielleicht, überläuft sie eines Nachts kalter Schweiß, denn um sie herum ist schon alles abgekühlt, und es kommt ihnen in den Sinn, daß es schade war, ihn fortzujagen, denn es wäre gar nicht so schlecht, ihn hier im kalten Zimmer, im kalten Bett zu haben, so nahe, daß man nach ihm greifen kann, mag er auch lügen und frech sein, aber wenigstens wäre er da … So wie du? … Gott sei Dank bist du noch da. Du warst so frech, daß ich dich nicht loswerden konnte. Was grinst du? Ich hab ja gesagt: Gott sei Dank. Grinse nicht so höhnisch, du Mistkerl!
    Na, Spaß beiseite. Ich fahre fort, ja?
    Klar, bei mir hat man auch angeklopft, und nicht zu selten. Doch der da, der war bloß auf dem Papier mein Mann. Mit zwei Koffern bin ich in Wien angekommen, anno achtundvierzig, weil ich von der Demokratie bereits genug hatte. Zwei Koffer, das war vom herrschaftlichen Leben übriggeblieben, nebst dem Schmuck.
    Dieser da, mein zweiter, lebte damals schon seit mehreren Jahren in Wien. Und zwar davon, daß er von Zeit zu Zeit heiratete und sich dann scheiden ließ. Der war gleich nach dem Krieg nach Wien hinausspaziert, weil er schlau war und gemerkt hat, daß man das schöne Ungarn besser rechtzeitig verläßt. Papiere hatte er auch, weiß Gott, woher. Für die Heirat hat er vierzigtausend verlangt. Und dann noch zwanzig für die Scheidung. Ich habe alles bezahlt, aus dem Schmuck. Das weißt du ja. Auch für dich ist noch was übriggeblieben, stimmt’s? … Na siehst du. Man muß sich einteilen. Es wäre alles in Ordnung gewesen, wenn er nicht eines Nachmittags bei mir im Hotel, wo ich allein wohnte, aufgetaucht wäre, mit der Idee, das sei keine Scheinehe, sondern er habe eheliche Rechte. Ich habe ihn natürlich rausgeschmissen. Schließlich sind solche Scheinehen heute an der Tagesordnung, man heiratet, um zu Papieren zu kommen. Es gibt allerdings auch Scheinehen, in denen plötzlich drei Kinder da sind. Man muß aufpassen. Wie gesagt, ich habe ihn rausgeworfen. Zum Abschied mußte ich ihm noch das silberne Zigarettenetui geben, das auf meinem Nachttisch lag. Dann ist er nicht mehr gekommen, sondern hat sich eine neue Braut gesucht.
    Mein richtiger Mann war der mit dem Pelzmantel da auf dem Photo. Ein wahrer Gentleman, man sieht es gleich? … Ja, sicher, er war das, was man einen Gentleman nennt. Bloß, weißt du, es ist schwierig zu sagen, was der Unterschied ist, es gibt solche, die nur so tun, und dann stellt sich heraus, daß sie gar keine richtigen Gentlemen sind. Es gibt die Reichen, Wohlerzogenen, aber es gibt auch die weniger Reichen, die sich gar nicht so wohlerzogen benehmen und doch Gentlemen sind. Geschniegelte reiche Leute gibt es viele. Echte Gentlemen wenige. So wenige, daß sie kaum mehr der Rede wert sind. Sie sind so selten wie das merkwürdige Tier, das ich einmal im Zoo von London gesehen habe, das Okapi. Manchmal denke ich, wer richtig reich ist, kann gar nicht durch und durch ein Gentleman sein. Unter den Armen findet sich hie und da einer. Aber die sind so selten wie die Heiligen.
    Wie gesagt, mein Mann, der war ein Gentleman. Aber ganz und unbedingt war er es doch nicht. Weil er beleidigt war. Als er mich kennenlernte, ich meine, als er mich voll und ganz kannte, da war er beleidigt und ließ sich scheiden. Da hat er versagt. Aber er war nicht dumm. Er wußte, daß jemand, den man beleidigen kann, der sich beleidigen läßt, kein wirklicher Gentleman ist. Auch unter meinesgleichen gab es zuweilen Gentlemen. Nicht oft, zugegeben, denn wir waren arm wie die Feldmäuse, mit denen wir in meiner Kindheit zusammenlebten.
    Mein Vater war Melonenpflücker in der Nyírség. Wir waren so bettelarm, daß wir ein Loch in die Erde graben mußten und winters dort wohnten, zusammen mit den Feldmäusen. Aber wenn ich an meinen Vater denke, sehe ich ihn immer als einen

Weitere Kostenlose Bücher