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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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EIL

 
    W as hast du da, mein Schatz? Die Photos? Schau sie dir ruhig an. Dann hast du was zu tun, während ich Kaffee koche.
    Warte, ich zieh mir rasch den Morgenrock an. Wieviel Uhr ist es? … Halb vier? Ich öffne mal kurz das Fenster. Nein, steh nicht auf, bleib liegen. Schau, wie der Vollmond leuchtet. Jetzt ist die Stadt ganz still, alles schläft. In einer halben Stunde werden schon die Lastwagen vorbeirumpeln, mit dem Gemüse, dem Fleisch und der Milch für die Märkte. Aber jetzt schläft Rom noch tief. Ich selbst schlafe um diese Zeit fast nie, ich wache um drei Uhr auf, weil mein Herz einen Sprung macht. Was lachst du? Ich meine nicht die Art Sprung, wie wenn wir miteinander schlafen. Lach nicht so. Der Arzt sagt, das sei die Stunde, in der das Herz den Gang wechselt, du weißt ja, wie wenn ein Motor vom ersten in den zweiten Gang geschaltet wird. Und jemand anders – nein, kein Arzt – hat gesagt, nachts um drei ändere sich der Magnetismus der Erde. Weißt du, was das ist? Ich auch nicht. Er hat das in einem Schweizer Buch gelesen. Ja, das war der Mann, dessen Photo du jetzt in der Hand hast.
    Rühr dich nicht, mein Engel. Wenn du wüßtest, wie schön du bist, wenn du so im Bett liegst, auf einen Arm gestützt und mit dem Haar in der Stirn. So phantastische Männerkörper, wie du einen hast, gibt es sonst nur in den Museen. Und auch dein Kopf, ja, was will man, ein Künstlerkopf. Was schaust du mich so verschlagen an? Du weißt doch, daß ich dich vergöttere. Weil du phantastisch schön bist. Weil du ein Künstler bist. Weil du mein Einziger bist. Mein Göttergeschenk. Warte, ich will dir einen Kuß geben, rühr dich nicht. Nur da, auf den Augenwinkel. Ah, und deine Schläfen! Na, ich lasse dich. Ist dir nicht kalt? Soll ich das Fenster schließen? Die Luft draußen ist lau, und im Mondlicht leuchten die beiden Orangenbäume. Wenn du nicht da bist, stehe ich nachts oft am Fenster und betrachte die Via Liguria. Jemand scheint an den Hauswänden entlangzuschleichen, wie im Mittelalter. Weißt du, wer das ist? Du sollst mich aber nicht auslachen. Ich bin nicht so dumm, bloß weil ich in dich verliebt bin und du der Einzige und Letzte bist. Das Alter ist es, das unter meinem Fenster durch die Via Liguria schleicht und durch ganz Rom und durch die ganze Welt.
    Das Alter, dieser Räuber und Mörder. Und eines Tages kommt es herein. Mit geschwärztem Gesicht. Reißt dir mit beiden Händen die Mähne vom Kopf, schlägt dir mit der Faust die Zähne ein, stiehlt dir das Licht aus den Augen und die Töne aus den Ohren und den guten Geschmack der Speisen aus dem Magen … Na gut, ich höre auf. Was lachst du so höhnisch? Ich habe noch das Recht, dich zu lieben, und wie du siehst, lasse ich mich nicht lange bitten, ich fresse mich voll mit dem Glück, das du mir schenkst. Kann von dieser Honigsüße gar nicht genug bekommen. Ich schäme mich nicht zuzugeben, daß ich ohne dich nicht mehr leben könnte. Aber keine Angst, ich werde dir nicht auf dem Besen nachreiten, aufs Kapitol hinauf. Der Tag wird kommen, an dem ich kein Recht mehr habe, dich zu lieben, weil ich alt bin. Faltenbauch, Hängebusen … Nein, tröste mich nicht. Ich habe die Lektion gelernt. Das wäre dann nur noch ein Almosen, was ich von dir erhielte. Oder eine Zugabe, wie man sie den Angestellten für die Überstunden zahlt. Was schielst du mich an? Du wirst sehen, es wird so sein. Ich habe gelernt, daß man beizeiten gehen muß … Du willst wissen, von wem? Ja, auch von dem Mann, dessen Photo du in der Hand hast.
    Was sagst du? Warte, da macht ein Gemüsewagen Lärm. Ob das mein Mann war? Nein, mein Schatz, das war er nicht. Der andere war mein Mann, der da unten im Album, der mit dem Pelzmantel. Nicht der zweite Mann, dessen Namen ich jetzt trage, sondern der erste. Der richtige. Wenn es so etwas überhaupt gibt. Der zweite hat mich bloß geheiratet. Genauer gesagt, habe ich ihn dafür bezahlt, daß er mich heiratet, denn da war ich schon im Ausland und brauchte Papiere und einen Paß. Und vom ersten war ich schon lange geschieden. Wo das Photo des zweiten ist, weiß ich nicht. Ich habe es nicht aufbewahrt, ich wollte ihn später nicht mehr sehen, nicht einmal im Traum. Als ich noch von ihm träumte, war mir das peinlich, wie wenn man etwas Unanständiges träumt, Frauen mit Brusthaar und dergleichen … Was starrst du mich so an? Durch jedes Männerleben spazieren Frauen. Und es gibt Männer, die sind wie Durchgangsheime, in denen die

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