Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Gentleman. Weil man ihn nicht beleidigen konnte. Er war ruhig. Na ja, wenn er wütend war, dann schlug er uns schon. Seine Faust war hart wie Stein. Manchmal war er hilflos, weil die Armut ihn lähmte. Da schwieg er und blinzelte. Er konnte lesen, konnte auch seinen Namen kritzeln, aber davon machte er nicht viel Gebrauch. Eher schwieg er. Ich glaube, er dachte auch nach, aber nur kurz. Manchmal beschaffte er sich Schnaps, und dann trank er bis zur Bewußtlosigkeit. Aber wenn ich alle meine Erinnerungen zusammennehme, dann war dieser Mensch, mein Vater, der mit meiner Mutter und uns Kindern zwischen den Mäusen in der Grube lebte … Ich erinnere mich an einen Winter, als er keine Schuhe hatte, er bekam vom Postmeister löchrige Überschuhe, darin lief er herum, mit Lumpen an den Füßen … Dieser Mensch war nie beleidigt.
Mein erster Mann, der richtige, bewahrte seine Schuhe in einem Schrank auf, denn er hatte so viele feine Schuhe, daß er eigens einen Schrank hatte machen lassen. Und er las dauernd, neunmalkluge Bücher. Und doch war er die ganze Zeit irgendwie gekränkt. Lange dachte ich, man könne einen Menschen, der so viele feine Schuhe besitzt, nicht kränken. Ich erwähne die Schuhe nicht zufällig. Als ich zu meinem Mann ins Haus kam, gefiel mir das irgendwie am besten. Es gefiel mir, machte mir aber auch angst. In meiner Kindheit hatte ich nämlich lange keine Schuhe. Ich war schon zehn vorbei, als ich zum erstenmal Schuhe bekam, die auf meine Füße paßten und ganz mir gehörten. Es waren gebrauchte Schuhe, die Frau des Vizegespans hatte sie der Köchin geschenkt. Knopfschuhe, damals trug man noch so was. Sie waren der Köchin zu eng, und als ich an einem Wintermorgen Milch ins Komitatshaus brachte, erbarmte sie sich und schenkte mir diese wundervollen Dinger. Vielleicht freute ich mich deshalb so sehr, daß der große Stehkoffer mit meinen Schuhen drin nach der Belagerung noch unversehrt war. Ich habe ihn dann in Budapest gelassen, als ich wegging aus der Demokratie. Na, genug von den Schuhen.
Hier ist der Kaffee. Warte, ich hole auch die Zigaretten. Die nehmen mir die Luft, diese süßen amerikanischen Zigaretten. Na gut, ich verstehe, du brauchst sie, weil du ein Künstler bist. Und die Nachtarbeit im Lokal, die ist auch so, daß man Zigaretten braucht. Aber gib acht auf dein Herz, mein Schatz. Ich überlebe es nicht, wenn dir etwas zustößt.
Wie ich ins Haus meines Mannes gekommen bin? …Nicht als Braut, wie du dir denken kannst. Erst später bin ich dann in dem Haus die Dame und Gattin, die Gnädige, ja, die Hochwohlgeborene gewesen. Als Dienstmädchen war ich gekommen, als Mädchen für alles.
Was schaust du so? Das ist kein Witz.
Ich sag’s dir, ich war Dienstmädchen. Nicht einmal richtiges Dienstmädchen, sondern bloß so eine Hilfskraft. Denn das war ein herrschaftliches Haus, mein Lieber. Davon könnte ich dir einiges erzählen, vom Haus, von den Gebräuchen, wie sie wohnten, aßen, sich langweilten, miteinander sprachen. Ich habe mich zuerst nur auf den Zehenspitzen bewegt, wagte keinen Mucks zu machen, solche Angst hatte ich. Es vergingen Jahre, bis ich in die inneren Zimmer durfte, denn ich hatte keine Ahnung, was sich schickt, wie man sich in einem so feinen Haus benimmt. Ich mußte es erst lernen. Durfte mich nur im Bad und im WC nützlich machen. Und in der Küche ließen sie mich nicht an die Speisen heran, ich durfte nur Kartoffeln schälen oder beim Abwaschen helfen. Weißt du, als wären meine Hände auf ewig dreckig. Aber vielleicht dachten gar nicht sie so, die Gnädige und die Köchin und der Diener, nein. Ich selbst hatte das Gefühl, in dem schönen Haus seien meine Hände nicht so sauber, wie sie sein sollten. Lange hatte ich dieses Gefühl. Aber kein Mensch machte mir Vorwürfe. Bloß ich wagte nicht, etwas zu berühren, denn ich fürchtete, auf den Gegenständen eine Spur zu hinterlassen. Ihre Speisen wagte ich auch nicht zu berühren. Weißt du, wie wenn sich die Ärzte dünne Gaze, eine Art Maulkorb vorbinden, wenn sie operieren, weil ihr Atem ansteckend sein könnte. Auf die Art hielt ich den Atem an, wenn ich mich über ihre Gegenstände beugte, über die Gläser, aus denen sie tranken, über die Kissen, auf denen sie schliefen. Ja, lach mich ruhig aus, aber sogar wenn ich hinter ihnen her die Kloschüssel putzte, achtete ich darauf, auf dem schönen weißen Porzellan keine Abdrücke zu hinterlassen. Solche Ängste hatte ich lange.
Ich sehe schon, was du
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