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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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kam zu der Gnädigen die Knetfrau. Eine freche junge Frau mit Brille. Ich wußte, daß sie stahl, daß im Badezimmer das eine oder andere der feinen Schönheitsmittel in ihre Taschen wanderte. Aber sie stahl auch Gebäck und Südfrüchte, die von einer Abendgesellschaft her noch im Salon standen, rasch stopfte sie sich irgendwelche Delikatessen ins Maul, nicht weil sie Hunger hatte, sondern weil sie dem Haus etwas zuleide tun wollte. Dann trat sie mit unschuldiger Miene bei der Gnädigen ein und walkte sie tüchtig durch.
    Auch zu den Herren kam ein Kneter, und den nannten sie so: der schwedische Turnlehrer. Mit dem turnten sie ein bißchen, in Badehosen, vor dem Frühstück. Dann ließ der Turnlehrer das Bad einlaufen und krempelte die Ärmel hoch, um der Reihe nach meinen Mann und den Alten mit Kannen von heißem und kaltem Wasser zu begießen. Ich sehe schon, du verstehst nicht, wozu. Mein Süßer, du mußt noch viel lernen. Das mit dem heißen und kalten Wasser war für den Blutkreislauf, der mußte angeregt werden, sonst hätten sie das Tagewerk nicht so frisch und munter in Angriff nehmen können. Es herrschten eben große Ordnung und Wissenschaftlichkeit in allem.
    Sommers kam dreimal in der Woche vor dem Frühstück der Trainer, mit dem sie im Garten Tennis spielten. Das war ein älterer Herr, grauhaarig und sehr elegant. Ich stand heimlich am Fenster des Dienstbotenzimmers und sah ihnen zu. Und mußte vor Rührung fast weinen, so herzerweichend schön war der Anblick, wie der alte Herr und der Trainer vornehm Tennis spielten, als machten sie mit Bällen statt mit Wörtern Konversation. Der alte Herr war ein muskulöser, sonnengebräunter Mann. Auch im Winter, denn während der Siesta nach dem Essen ließ er sich von einer Quarzlampe, von einer künstlichen Sonne, bestrahlen. Vielleicht brauchte er diese Gesichtsfarbe, um im Geschäftsleben würdiger daherzukommen, ich weiß es nicht, es könnte aber sein. Noch im Alter spielte er Tennis, wie der König von Schweden. Die weiße Hose und der weiße Pullover standen ihm hervorragend. Nach dem Tennis duschten sie. Dafür hatten sie im Untergeschoß eine eigene Dusche, in einem Turnraum mit Korkfußboden und Kacheln an den Wänden, wo auch allerlei Geräte herumstanden, eine Sprossenwand und so ein Idiotenboot, weißt du, das nur aus einem Sitz und Rudern besteht. Damit übten sie das Rudern, wenn das Wetter schlecht war und sie nicht ins Klubhaus konnten, um auf der Donau Skiff zu fahren.
    Dann zogen, je nach Tag, der Schweizer Fußpfleger oder der Kneter oder der schwedische Turnlehrer oder der Trainer ab. Und dann kam das Ankleiden.
    Ich sah bei allem zu, so wie der Wandergesell auf dem Jahrmarkt die im Zelt ausgestellten schönen bunten Heiligenbilder anstarrt. Etwas Unfaßliches war in alldem, etwas Überirdisches, gar nicht mehr nach Menschenmaß. So ein Gefühl hatte ich in den ersten Jahren.
    Leider durfte ich während des Frühstücks nicht ins Zimmer, denn das war eine große Zeremonie. Es brauchte eine geraume Weile, bis auch ich dabei ministrieren durfte. Natürlich hätten sie sich niemals zerzaust und im Schlafrock an den Tisch gesetzt. Sie waren herausgeputzt wie zu einer Hochzeit. Da hatten sie schon geturnt, geduscht, gebadet, und der Diener hatte den Alten und meinen Mann rasiert. Sie hatten kurz die deutschen und englischen und französischen Zeitungen überflogen. Während des Rasierens hörten sie auch Radio, aber nicht die Nachrichten, weil sie Angst hatten, sie könnten eventuell etwas hören, das ihre gute Morgenlaune verdarb. Nein, sie hörten prickelnde Tanzmusik, solche Jubeltrubelmelodien, die ihre Gemüter aufheiterten und ihnen Schwung verliehen für die verantwortungsvollen Aufgaben des Tages.
    Nach dem Frühstück machten sie sich zum Ausgehen zurecht. Der Alte hatte ein Garderobenzimmer mit Einbauschränken. Natürlich hatte auch die Gnädige ein solches Zimmer und mein Mann auch. Dort bewahrten sie ihre Kleider auf, für alle Jahreszeiten, für sämtliche Gelegenheiten, in speziellen Hüllen und in Kampfer, so wie man Meßgewänder aufbewahrt. Aber sie hatten auch gewöhnliche Schränke für ihre Alltagskleider, da hing und lag alles bereit, was sie in der Eile vielleicht brauchen würden. Jetzt, wo ich davon rede, habe ich wieder den Geruch dieser Schränke in der Nase. Sie ließen aus England ein Mittel kommen, das aussah wie ein Stück Zucker, aber wenn man daran roch, war es wie ein Heuhaufen. Mit so einem künstlichen

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