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Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)

Titel: Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sándor Márai
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das alles. Das gefiel mir an ihm.
    Ich begriff, daß der ganze Plunder, mit dem sie ihr Haus vollstopften, eine fixe Idee war. Wie wenn einer nervenkrank ist und zwanghaft bestimmte Dinge tut, zum Beispiel sich täglich fünfzigmal die Hände wäscht. Auf die Art kauften sie sich Kleider und Unterwäsche und Handschuhe und Krawatten. Ja, jetzt fallen mir die Krawatten ein, mit denen ich viel Mühe hatte. Ich mußte sie alle in Ordnung halten. Na, ein paar Krawatten hatten die! Es gibt keine Farbschattierung, in der nicht ein Lang- oder Querbinder im Schrank gehangen hätte, nach Farben geordnet. Wahrscheinlich waren da auch ultraviolette Krawatten, nicht ausgeschlossen.
    Und gleichzeitig zog sich niemand schlichter und abgetönter an als mein Mann. Nie trug er irgend etwas Auffälliges. Nie hättest du an ihm eine schreiende Krawatte gesehen. Er zog sich bürgerlich an, wie man so sagt. Ich habe einmal gehört, wie der Alte leise zu seinem Sohn sagte: »Schau den an, wie ein Gentry.« Und er zeigte auf einen Menschen mit Schnürpelz und Jägerhut. Sie mieden alle, die nicht bürgerlich waren, bürgerlich nach ihren Begriffen, also so, daß man nach unten niemandem etwas schuldet und nach oben von niemandem abhängt. Mein Mann trug irgendwie immer das gleiche, einen Anzug aus festem dunkelgrauem Stoff. Und dazu eine dunkle Krawatte ohne Muster. Natürlich zog auch er je nach Jahreszeit und häuslichem oder gesellschaftlichem Anlaß was anderes an. Auch er besaß ja seine drei Dutzend Anzüge und Schuhe und den ganzen dazugehörigen Kram. Aber wenn ich ihn vor mir sehe – ich erinnere mich selten an ihn, im Traum manchmal, und da schaut er mich immer an, als sei er irgendwie erbost, und das verstehe ich nicht –, also, ich sehe ihn immer in dem ernsten dunklen Zweireiher vor mir, als trüge er eine Uniform.
    Und auch der Alte machte den Eindruck, als trüge er immer einen altmodischen Hausmantel, der den Bauch großzügig verdeckt. Es war nicht wirklich so, aber man hätte es meinen können. Sie paßten sehr auf, daß an ihnen und in ihrer Lebensweise und Umgebung nichts vom Gedämpften, Zurückhaltenden abwich. Die wußten, was Geld war, schon der Großvater war reich. Die brauchten das Reichsein nicht erst zu lernen, wie heutzutage die aufgestiegenen Knilche, die morgens am liebsten mit dem Zylinder auf dem Kopf in den nagelneuen amerikanischen Wagen steigen. Alles an ihnen war ruhig, auch die Farbe der Krawatte. Nur nach innen, im Verborgenen, konnten sie nicht genug bekommen. Vollständigkeit, das war ihre Manie. Deshalb hingen in den Schränken die unzähligen Kleider, daher die vielen überflüssigen Schuhe, Krawatten, Unterhosen. Mein Mann kümmerte sich überhaupt nicht um die Mode, er hatte im Blut, was geschmackvoll ist und was nicht. Der Alte hingegen war da nicht so sicher, kannte sich in der herrschaftlichen Üppigkeit noch nicht ganz aus. In seinem Kleiderschrank hing innen an der Tür ein gedrucktes Blatt, wo auf englisch geschrieben stand, in welcher Jahreszeit zu welchem Anzug welche Krawatte zu tragen sei. Zum Beispiel an einem regnerischen Apriltag zum dunkelblauen Anzug eine schwarze Krawatte mit hellblauen Streifen, und so weiter. Es ist sehr schwer, reich zu sein.
    Und auch ich mußte lernen, was Reichtum ist, und tat es mit Fleiß und Ehrfurcht, büffelte den Reichtum wie auf der Gutsschule den Katechismus.
    Und dann habe ich begriffen, daß sie nicht wirklich dieses oder jenes Kleid, diese oder jene Krawatte brauchten, sondern etwas anderes. Die Vollständigkeit. Das war ihre Leidenschaft. Deshalb waren sie verrückt, aus diesem Wunsch, daß alles vollständig sei. Offenbar ist das der Fimmel der Reichen. Die brauchen nicht Kleider, sondern eine Kleidersammlung. Und eine einzige Kleidersammlung genügt nicht. Wenn im Haushalt mehrere Personen leben, dann müssen auch mehrere Kleidersammlungen her. Nicht zwecks Gebrauch, sondern damit man hat, was man hat.
    Schau, zum Beispiel habe ich eines Tages entdeckt, daß es im zweiten Stock der Villa, über der großen Terrasse, ein geschlossenes Zimmer gab, mit einem kleinen Balkon. Ein Zimmer, das nie benutzt wurde. Das war früher einmal das Kinderzimmer gewesen. Mein Mann hatte als Kind da drin gewohnt. Jahrzehntelang betrat nur das Personal das Zimmer. Aber auch wir nur einmal im Jahr, zum Reinemachen. Hinter heruntergelassenen Läden, hinter der abgeschlossenen Tür schlummerte da alles, was zur Kindheit meines Mannes gehört hatte. Wie in einem

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