Wandlungen einer Ehe: Roman (German Edition)
Erhabenes, diese Waschküche, wie die Aufbahrungshallen in den teuren Beerdigungsinstituten der Innenstadt. Ich trat immer mit Ehrfurcht ein, will sagen, wenn die Gnädige erlaubte, daß ich der Waschfrau half, die die Wäsche so akkurat behandelte wie die Leichenwäscherin auf dem Land die lieben Verblichenen. Du kannst dir denken, daß man mir, dem Trampel, eine so feine, so viel Fachkenntnis erfordernde Arbeit wie die große Wäsche nicht anvertraute. Dafür kam eigens eine Waschfrau ins Haus, die alle drei Wochen von der Gnädigen mittels einer Postkarte aufgerufen wurde, sich zu freuen und bereitzumachen, denn es warte die schmutzige Wäsche. Und sie kam, und zwar gern. Ich durfte ihr nur beim Auswringen und Bügeln und Mangeln der feinen Unterwäsche, der Damasttischtücher, der dicken Leintücher und Überzüge helfen. Doch eines Tages erschien die herbeizitierte Waschfrau nicht. Statt dessen kam eine Postkarte von ihrer Tochter. Ich erinnere mich an jedes Wort, denn ich brachte die Post hinauf, und natürlich las ich die Karte. Die Tochter der Waschfrau schrieb: »Liebe geehrte gnädige Frau, die Mutter kann nicht waschen kommen, weil sie gestorben ist.« Und darunter stand: »Es küßt die Hand Rózsika.« Ich erinnere mich an das Gesicht der Gnädigen, wie sie die Stirn runzelte, als sie die Karte las, und ärgerlich den Kopf schüttelte. Aber sie sagte nichts. Da habe ich mich gemeldet, und eine Zeitlang durfte ich die Wäsche machen, bis sie eine neue Waschfrau gefunden hatten, die vom Fach war und noch lebte.
Denn alles im Haus wurde von Fachleuten erledigt. Das war auch so ein Lieblingswort von ihnen, Fachleute. Ging die Klingel kaputt, wurde sie nicht vom Diener repariert, sondern sie ließen einen Fachmann kommen. Nur den Fachleuten trauten sie. Es kam jeweils ein feierlicher Typ ins Haus, auf dem Kopf eine Melone, wie ein Universitätsprofessor, den man zum Konsilium holt. Das war der Hühneraugenschneider. Aber nicht etwa von der gewöhnlichen Sorte, zu der unsereins irgendwo in der Stadt geht und ihm die Füße entgegenstreckt, damit er die Hühneraugen oder die Hornhaut wegschnipselt. Keine Spur. Ein Feld-Wald-und-Wiesen-Hühneraugenschneider wäre denen nicht ins Haus gekommen. Der da hatte eine Visitenkarte und einen Eintrag im Telephonbuch: »Schweizer Fußpfleger« stand da. Er kam monatlich einmal ins Haus, trug immer Schwarz und überreichte beim Eintreffen seine Melone und seine Handschuhe so feierlich, daß ich ihm beinahe die Hand geküßt hätte. Meine Füße hatten Erfrierungen, weißt du, von den kalten Wintern in der Nyírség, und ich hatte immer Blasen daran und eingewachsene Nägel, und das alles tat manchmal so weh, daß ich kaum laufen konnte. Aber ich hätte nicht im Traum daran gedacht, daß sich dieser Fußkünstler auch einmal mir zuwenden könnte. Er hatte eine Tasche bei sich wie die Ärzte. Und zog einen weißen Umhang an, wusch sich im Badezimmer sorgfältig die Hände, nahm aus seiner Tasche ein elektrisches Gerät, so etwas wie einen Zahnbohrer, setzte sich zu Füßen der Gnädigen oder des alten Herrn oder meines Mannes und begann, mit dem Gerät die edlen Hornhäute abzuschälen. Das war der Hühneraugenschneider. Ich kann dir sagen, mein Schatz, daß es einer der schönsten Augenblicke meines Lebens war, als ich, jetzt schon Herrin, dem Zimmermädchen den Befehl gab, den Schweizer Fußpfleger anzurufen, weil ich meine gnädigen Hühneraugen behandelt zu haben wünschte. Das Leben bringt alles, man braucht nur zu warten.
Aber das war nicht der einzige Fachmann, der ins Haus kam. Es gab noch viele Programmpunkte, nachdem ich dem alten Herrn den Orangensaft gebracht hatte. Er lag im Bett und las bei Lampenlicht eine englische Zeitung. Die ungarischen Zeitungen, von denen auch eine ganze Anzahl ins Haus kam, lasen eher nur wir, die Bediensteten, in der Küche oder auf dem Klo, wenn uns langweilig war. Die alte Frau las eine deutsche Zeitung, der Alte eine englische, aber doch eigentlich nur die Seiten mit den langen Zahlenreihen, die Kurse der ausländischen Börsen, denn er konnte gar nicht gut Englisch, sondern ihn interessierten die Zahlen. Der Junge las die deutschen und französischen Blätter durcheinander, aber doch eher nur die Überschriften, wie mir schien. Offenbar hatten sie das Gefühl, diese Blätter wüßten mehr als unsere Zeitungen. Auch das machte mir großen Eindruck.
Und dann nach dem Orangensaft, wenn es nicht gerade der Tag des Fußpflegers war,
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